
Vorher:
Tag 1 –
Tag 2 –
Tag 3 –
Tag 4 –
Tag 5 –
Tag 6.
Der sechste Tag beginnt für mich mit einem Lauf zum Parliament Hill und den
Parkland Walk entlang, einen schmalen Parkweg auf einer ehemaligen Bahntrasse, den Kind 1 am vorherigen Tag entdeckte (die Schlenker oben links
auf der Route zeigen die Stelle, wo ich mich mal wieder rettungslos verlaufe und die Straße, die ich mir extra gemerkt hatte, suche, bevor ich dann doch wieder das Navi anwerfe).
Ansonsten lassen wir den Tag nach einem formidablen Frühstück gemächlich angehen und starten erst am frühen Nachmittag Richtung Themse. Herzallerliebste und Kinder werden nochmals in der Innenstadt ein paar Geschäfte besuchen und danach
Kensington Gardens, ich möchte endlich einmal in die
Tate Modern.

Die Ausstellung moderner Kunst zeigt sich in einem früheren Ölkraftwerksbau, dessen damalige Turbinenhalle in ihrer nun eindrucksvollen Leere die Besucher_innen berührt und insbesondere Jüngere zum begeisterten Herumtoben animiert.
Ansonsten ist es natürlich großartig, Werke von Pablo Picasso, Wassilij Kandinsky, Andy Warhol, Roy Lichtenstein, Nam June Paik, Joseph Beuys, Georg Baselitz und vielen anderen im Original zu sehen. In ehrfürchtiger Begeisterung schleiche ich von einem zum anderen. Außerdem beeindruckt haben mich die Bilder (beispielsweise
dies) von Meredith Frampton, den ich bislang nicht kannte. Nach ein paar Stunden allerdings bin ich dann auch ausreichend kunstgesättigt, die Zeit des Treffens mit dem Rest der Familie steht an.

Von der Millennium Bridge hat man nicht nur einen guten Blick auf die Tate Gallery, sondern auch auf
Shakespeare’s Globe nur ein paar Meter weiter – auf dem Bild zu sehen im Ensemble von alt und neu (das Globe trotz des Altes nachbildenden Aufbaus ein neues Gebäude).
Die Karten für eine Aufführung haben wir schon vorab bestellt und holen sie noch rasch ab, bevor wir dann aber erst noch einmal zum frühen Abendessen und ein Pint Bitter ins
The Old Kings’s Head verschwinden.

Eine gute halbe Stunde vor Beginn stehen wir dann in der Schlange vorm Theater und es ist auch schon höchste Zeit. Beim Anstehen haben wir noch Zeit, die Warnschilder zu betrachten (und ggf umzukehren).
Measure for Measure wird gegeben, in Selbsterkenntnis unseres Standes haben uns die Stehkarten fürs einfache Volk (für unschlagbare 5 £) – und nicht etwa Galeriekarten für feine Pinkel – besorgt, das Stück vorher zumindest in der Übertragung ins Deutsche gelesen (andere lassen es sich kurz zusammenfassen oder sehen ins Programmheft): wir sind vorbereitet.
Nicht allerdings auf das, was kommt: früh genug erschienen, steht nur eine Reihe anderer Zuschauer vor uns, wir also fast direkt mittig vor der Bühne. Kurz vor Beginn des eigentlichen Stücks wird eine burlesk-burschikose radauhafte Eingangsszene gespielt, die die einfachen Figuren der Komödie einführt. Dabei stürmen die Schauspieler durchs Publikum, brüllen und rasen, keifen und lachen, singen und schreien, wie es dem geplant furiosen Anfang entspricht. Spätestens jetzt weiß der_die geneigte Zuschauer_in: mit einem modernen Problemdrama hat dies nichts zu tun. Das Stück macht Laune, die Schauspieler sind hochprofessionell – jede kleine Geste, jeder Einsatz sitzt, und das Ensemble versteht es, das Publikum binnen Minuten von brüllendem Lachen zu Tränen des Mitgefühls zu führen.
Natürlich kann man spätestens zur Pause eigentlich nicht mehr stehen, doch trotz der körperlichen Anstrengung ist eine solche Aufführung ein echtes Erlebnis. Kind 1 kritisiert die zu platte Einführung (verständliche Kritik, weil etwas sehr brachial volkstümlich – Shakespeare selbst allerdings war ja in den Volkshandlung zeigenden Passagen auch eher deutlich anzüglich als dezent, insofern also passend); insgesamt aber empfehlen wir eine solche Aufführung unterm freien Himmel (nur die Feine-Pinkel-Plätze sind überdacht, was, wie Kind 2 meint, klasse ist, weil man während langweiliger Stellen dann mal in den dunkler werdenden Himmel blicken kann) als obligatorischen Bestandteil eines mehrtägigen Londonbesuches.
Zu
Tag 8 (und Schluss).