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Die Liebe, das Leben und die Lyrik I.

»Die Liebe, das Leben und die Lyrik« – mit diesem Titel versehen ist eine kurze Lyrikreihe, die ich mit den S in meinem Deutschkurs mit erhöhtem Anforderungsniveau just absolviere.

Der Lehrplan Deutsch für das Berufliche Gymnasium benennt als thematische Schwerpunkte im Kernbereich 1 unter anderen »Literatur des 20. Jahrhunderts am Beispiel epischer und lyrischer Texte«, »untersuchende Analyse literarischer Texte« sowie »Texte zu Identität und jugendlicher Lebenswelt« (ebd., 26).

Leitidee des Lyrikkurses war die Kontrastierung der Form, in der den S Lyrik zumeist begegnet (als Liedtext nämlich, wie ich es als Unterrichtsanregung mal aus einem Workshop bei Harald Bock mitgenommen habe), mit Texten aus verschiedenen Epochen der Literaturgeschichte (die als Thema im Lehrplan nicht verankert ist).

Begonnen haben wir daher mit Immer da wo du bist, bin ich nie von Element of Crime – und zwar zunächst nur als als Text (Sven Regener, den ich auf meinem Arbeitsblatt als Verfasser genannt habe, war den S nicht bekannt, insofern lasen sie den Text als ein Gedicht wie jedes andere).

Nach dem Sammeln erster Eindrücke, die eher die Melancholie, eine düstere Aussage des Textes beschreiben, spiele ich den Song vor, der eine deutlich andere Grundstimmung evoziert als der reine Text – dieser Gegensatz allein kann (da es sich um die Interpretation eines Textes handelt) problematisierend wirken. Es kann nach genauerer Betrachtung des Textes mit seiner inhaltlichen Gliederung (2 mal 4 Verse Illusion, 2 Verse resigniertes/realistisches Erkennen der immer gleichen Situation; diese Aufteilung wird nach dem ersten Durchgang noch 2 mal wiederholt) erkannt werden, dass sich dies auch im Tongeschlecht wiederfindet – allerdings gespiegelt, sodass die (vermeintlich Erfüllung bringende) Illusion in Moll, die (vermeintlich enttäuschende) Realität in Dur erscheint.

In der genaueren Analyse und Interpretation des Textes nahmen S auch die Einschätzung vor, dass sich das erzählende Ich mit der Situation des steten Strebens und Nichterreichens der Angebeteten arrangiert habe – dies war die direkte Vorlage für den nächsten Text, den ich den S mitbrachte, nämlich Reinmar des Alten (von Hagenau): Ich wil allez gâhen (hier die Seite des Codex Manesse) – die Minnesangsituation, in der die Ritter die Nichterreichbarkeit so sehr beklagt wie sich selbst für das Ertragen dieses Leids feiert. Natürlich bekommen die S erst einmal die mittelhochdeutsche Version zu sehen, bevor sie sich an einen Übertragungsversuch machen und letztlich eine Übersetzungsvariante (von Helmut Brackert) lesen.

Inhaltlich thematisieren wir – unterbrochen von Zwischeninformationen zur niederen wie zur hohen Minne, zur Situation von Liebenden im 12./13. Jahrhundert generell, speziell zum Tagelied – die Dominanzsituation, die Überhöhung der Geliebten etc.

Spätestens, wenn die S den Element-of-Crime-Text jetzt nochmals zur Hand nehmen, fällt ihnen die Ähnlichkeit der Situation auf.

[Zum zweiten Teil.]