Das Feine am ansonsten von Schwächen nicht freien schleswig-holsteinischen
Lehrplan Philosophie (BG) ist, dass er für den 13. Jahrgang keine verbindlichen Themen benennt. Und so ist dann auch jeder 13. Jahrgang anders. Im 2. Halbjahr haben wir uns diesmal um die Medienphilosophie vor allem im Hinblick auf das moderne Übermedium, das Internet, gekümmert.
Die Irritation über das jeweils neue Medium – »Bilderverbot im Alten Testament«, »Die wahrnehmbare Welt als Spiegel Gottes«, Schrift als Untergang mündlich tradierter Kultur – habe ich kontrastiert mit einer Utopie einer virtuellen Realität in Stephensons
Snow Crash. Und so waren wir denn schon mitten in der Mediennutzung. (Bei der Auswahl älterer theoretischer Texte half mir der Band Helmes, Günter ; Köster, Werner:
Texte zur Medientheorie. Stuttgart : Reclam, 2002 (RUB 18239) [
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Der Kurs erarbeitete einen Fragebogen zur Mediennutzung und beantwortete ihn mit Hilfe eines Online-Evaluationstools (LimeSurvey) anonymisiert.
Er lernte mit dem »Medienkompaktbegriff« (Schmidt, Siegfried J.: Der Medienkompaktbegriff. In: Münker, Stefan (Hrsg.) ; Roesler, Alexander (Hrsg.):
Was ist ein Medium? Frankfurt am Main : Suhrkamp Taschenbuch, 2008 (stw 1887), S. 144–157 [
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Medium und einen möglichen Zugriff auf unterschiedliche Ausgestaltungen des jeweiligen Mediums kennen – dies eröffnet auch Analysemöglichkeiten, die in späteren Phasen wichtig werden.
(Auf den Begriff des Mediums hätte ich gern mehr Zeit verwendet. Allein: die Zeit ...)
Walter Benjamins Kunstwerk-Aufsatz haben wir sehr ausführlich besprochen, weil der Umbruch zu den modernen Medien sich hier schon deutlich abzeichnet. Dank Web 2.0 liest man dann auch nicht nur den Text, sondern hat auch Zugriff auf die erläuternden Fußnoten: wenn Benjamin beispielsweise ausführt »Das reproduzierte Kunstwerk wird in immer steigendem Maße die Reproduktion eines auf Reproduzierbarkeit angelegten Kunstwerks« und dies erläutert mit »Die technische Reproduzierbarkeit der Filmwerke ist unmittelbar in der Technik ihrer Produktion begründet. Diese ermöglicht nicht nur auf die unmittelbarste Art die massenweise Verbreitung der Filmwerke, sie erzwingt sie vielmehr geradezu« – dann darf man durchaus hinweisen auf Kristian Köhntopps Satz »
Das Wesen aller IT ist die Kopie.« – Wenn Benjamin das sowjetische Filmschaffen thematisiert, liegt Eisensteins
Panzerkreuzer Potemkin nur einen Mausklick weiter (und die S waren fast ebenso betroffen von der Szene wie es die ersten Zuschauer gewesen sein mögen, was Benjamins Aussagen bestätigt).
Die Brechtsche Radiotheorie und Enzensbergers »Baukasten zu einer Theorie der Medien« in der
Exzerpt-Version von Jörg Kantel zeigten den Weg zum heutigen Mitmach-Web auf. (Enzensberger sollte später noch einmal eine Rolle spielen mit seinem Essay »
Das digitale Evangelium«.)
Zwischendurch – jeweils, wenn die referierenden S fertig waren – haben wir (zum Teil recht lange) Kurzvorstellungen zu StudiVZ, World of Warcraft, Second Life etc. gehört.
Die
Klausur [
Korrekturbogen] ging aus von einem Text von Benjamin Birkenhake aus seinem geschätzten Blog
anmut und demut.
Für die schriftliche Abiturprüfung hatte ich einen online nicht verfügbaren Text von Stefan Münker (aus Münker, Stefan:
Philosophie nach dem Medial Turn. Beiträge zur Theorie der Mediengesellschaft. Bielefeld : Transcript Verlag, 2009 (Medienanalysen 4) [
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Google docs unterstützt uns derzeit in der Formulierung eigener »Bausteine zur Theorie des Netzes«, die dann als Ausblick auf die nächsten Jahre auch einen Abschluss bilden werden, denn das zweite Halbjahr des 13. Jahrgangs ist wegen der vielen Feiertage und der Abiturprüfung immer besonders kurz. Schade eigentlich.
Was mir beim Unterrichten besonders gefallen hat, ist die Verschränkung von Theorie und Praxis in Bezug auf ein aktuelles Thema, das des Durchdenkens noch bedarf und nicht schon fertig ist. Ich hoffe, den S hat es auch Freude bereitet. :-)