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Gelesen. Ortkemper.

Hubert Ortkemper: Medea in Athen. Die Uraufführung und ihre Zuschauer. Frankfurt am Main: Insel, 2001.

Dass das vor zwei Wochen in der Buchhandlung bestellte Werk, obschon bereits 2001 aufgelegt, noch immer in der (sicher nicht üppig bemessenen) ersten Auflage erhältlich ist, zeigt, wie groß das Interesse ist …

Da ich gerade in meinem Deutschkurs Christa Wolfs Medea. Stimmen unterrichte, lese ich mich mal wieder ein wenig in die Umgebung ein. Natürlich sollen die S des Kurses mit erhöhtem Anforderungsniveau auch die Medea des Euripides lesen, und dessen Uraufführung im Jahr 431 (vor unserer Zeitrechnung) wählt Ortkemper zum Ausgangspunkt für eine Untersuchung athenischen Lebens der Zeit. Fast nebenbei liefert er eine gut lesbare Übersetzung der Medea, die immer wieder unterbrochen wird von kurzen Kapiteln über einen (meist im Text erwähnten) Aspekt des damaligen Alltagslebens und eine damit verbundene historische Person – einen der Zuschauer der erwähnten Premiere.

Kapiteltitel lauten dann zum Beispiel »Perikles oder Die Politik«, »Alkibiades oder Die Jugend«, »Herodot und Thukydides oder Die Geschichte« und so fort. Neben der Einfühlung in die Stimmung und Lebensweise sowie der Lieferung historisch belegter Fakten trägt Ortkemper durch kenntnisreiche Auswahl von Anekdoten und Ausschnitten aus literarischen und philosophischen Werken der griechischen Antike zur Verdeutlichung des Bildes bei.

Kein »spannendes«, kein Buch, das man nicht auch mal weglegen könnte, keines, das einen vom Nachtschlaf abhielte. Aber eines, das ganz unspektakulär viel, viel Wissen ausbreitet für den, der lernen möchte.

Buch bei Amazon angucken.

Buchhändler meines Vertrauens (1).

Timo Off hat mal zur Blogparade aufgerufen, und da gerade unterrichtsfreie Zeit ist war (Herbstferien haben nur Schülerinnen und Schüler, denn irgendwer muss ja die 19 Gedichtinterpretationen (Deutsch) und 39 Essays (Philosophie) durchsehen und benoten sowie sich auf die neue Unterrichtseinheit zu Christa Wolfs Medea. Stimmen vorbereiten), fühle ich mich gemeint.

Meine ersten Bücher wurden mir nicht in städtischen Buchhandlungen, sondern eher in dörflichen Schreibwarenläden gekauft. Es waren meist fragwürdige Inhalte, illustriert mit Bildern, deren dem Zeitgeschmack entsprechende wuchtige Niedlichkeit im Angesicht heutiger Kinderbücher kaum mehr vorstellbar ist. Nicht Oetinger, sondern Pestalozzi, Boje oder PEB stand auf den meisten dieser Bücher, wenn überhaupt ein Verlag genannt wurde; auch Pixi-Bücher gab es.

Meine liebste Buchhandlung war dann im Grundschul- und frühen Sekundarschulalter die Buchabteilung bei Karstadt (vor dem Aufkommen der Filialisten übrigens größte Buchhandlung Deutschlands), denn dort waren stets alle Reihen der Schneider-Bücher verfügbar, die Serie Geheimagent Lennet des geheimnisvollen Leutnant X ebenso wie Jo Pestums Kinderkrimis um Privatdetektiv Luc Lucas. Beratung war in dieser Zeit für mich nicht notwendig, alle für mich interessanten Reihen kannte ich, und da die für mich adäquaten Titel durch blaue Rückenbeschriftung (die Mädchenbücher trugen rosarot) gekennzeichnet waren, war die Gefahr des Fehlgriffs klein (die Mädchenserien Dolly, Tina und Tini, Trixie Belden, Hanni und Nanni las ich dann in den Sommerferien bei meiner Cousine).

Die Buchhandlungen meiner Schulzeit waren dann vor allem die Buchhandlung Schneider sowie Lipsius & Tischer in Kiel, die es inzwischen beide nicht mehr gibt – einer der Gründe für diese Entwicklung ist sicher die damalige Buchhandlung Weiland (heute Hugendubel), die den Filialbuchhandel nach Kiel brachte und es mit damals gänzlich ungewohnten Flächen am Alten Markt den alteingesessenen Buchhändlern schwer machte ... Beratung allerdings brauchte ich immer noch nicht, denn das Stöbern in einer Menge von Büchern ist das eine Entscheidende, Ratschläge von Freunden das andere.

Wie besonders eine Buchhandlung sein kann, habe ich in der Freiburger Buchhandlung zum Wetzstein erfahren, in der ich für meine Zeit im Süddeutschen Stammkunde war: eine Buchhandlung mit klar literarischer und allgemein geisteswissenschaftlicher Ausrichtung mit (für mich zu) hochpreisigem Antiquariat (aber ohne Kochbücher, medizinische Ratgeber und ähnliche Bereiche), in der ich Ransmayrs Die letzte Welt und Arno Schmidts Romane in den schönen Ausgaben bei S. Fischer entdeckte (hier ein paar fotografische Eindrücke). Was im Wetzstein in den Regalen stand, war lesenswert, dessen konnte man gewiss sein – und mehr als einmal habe ich erlebt, wie Kunden, die beispielsweise nach nicht ins Sortiment passenden Schmonzetten aus Bestsellerlisten fragten, freundlich, aber bestimmt an Rombach, Walthari und andere Mitbewerber verwiesen wurden. Auch hier schätzte ich in erster Linie die Zurückhaltung des Inhabers Thomas Bader, der zwar sehr genau wahrnahm und sich merkte (vor den Tagen von Warenwirtschaftssystemen und Kundendatenbanken), welche Vorlieben die letzten Lektüren prägten, und durch gezieltes Vorlegen von ein, zwei Titeln diese Vorlieben stärken oder einen passenden Anstoß in eine andere Richtung geben konnte, im Regelfall aber schlicht durch die Auswahl des Sortiments, mithin die Bestückung der Regale und Auslagetische wirkte: der gute Buchhändler feilt mit jeder Bestellung fürs Sortiment an der Profilierung desselben; um aber dergestalt ein gutes Sortiment zusammenstellen zu können, braucht man ein profundes Wissen und großes Interesse an den jeweiligen Spezialthemen. Der Kunde kann in einer solchen Buchhandlung folglich ohne Beratung bleiben und stöbern, denn es gibt zwar Bücher, für die er sich derzeit nicht interessiert – aber keinen Mist. Übrigens wurde in dieser Buchhandlung Pfeife geraucht.

(Teil 2 folgt mal bei Gelegenheit, aber da die unterrichtsfreie Zeit – husch! – schon wieder vorbei ist, will ich vorm Einsendeschluss zumindest einen ersten Teil liefern.)

Gelesen. Euripides.

Euripides: Medea. Übersetzt von Karl Heinz Eller. Stuttgart: Reclam, 1983.

(Besucht man eine Fortbildung zu Christa Wolfs Medea. Stimmen, wird in Diskussionsbeiträgen gern in simpler Schwarzweißzeichnung die frauenfreundliche Darstellung Wolfs gegen die vermeintlich frauenfeindliche Euripides’ (die auch nicht jeder wirklich zu kennen scheint) ins Feld geführt. Im Nachwort zur oben angeführten Übersetzung wird die These vertreten, dass das möglicherweise so gar nicht richtig sei, vielmehr schon die außergewöhnlich ausführliche Darstellung des existenziellen Konflikts, den Medea mit sich selbst austrägt, ein für die Zeit ausnehmend positives Signal dargestellt habe [vgl. Nachwort, 132]. Damit wäre das Drama deutlich weniger zeitgeistkonform gewesen als Wolfs Erzählung in den 1990er Jahren.)