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E-Books, DRM und die Sympathie für die Rechtsbrecher.

Wenn ich diese Maschine sehe, die mittels Lego und einem cloudbasierten OCR-Service den Text aus der DRM-geregelten Datei befreit, überkommt mich eine selbstverständlich ganz unangemessene Sympathie für den Erbauer – und dies nicht nur, weil es ein Kindle ist und sich die Aktion hier gegen das DRM des den klassischen Buchhandel bedrohenden Versandhauses Amazon richtet.

Warum es sich vermutlich bei vielen Betrachtern so verhält, erklärt vielleicht der Blick auf ein beteiligtes Produkt: Lego. Seit ein Patentschutz (o. ä., IANAL) abgelaufen ist, gibt es durchaus Nachbauten des Legosteins – allein: sie haben keine Chance auf dem Markt, weil sie wichtige Qualitätsansprüche offenbar nicht erfüllen. Deshalb kaufen Eltern ihren Kindern weiterhin echte Legosteine, obwohl die Konkurrenzprodukte billiger und die Preise für Lego erstaunlich hoch sind.

Es ist also die Aufgabe der Verlage (im Auftrag der Autorinnen und Autoren), ein im oben angeführten Sinne qualitativ gutes Produkt anzubieten, das die Kunden trotz der kostenlos verfügbaren Kopien kaufen. Nun könnte man sagen, dass die Lage verzweifelt sei, denn der Unterschied zwischen Lego und einem E-Book sei nun einmal die Kopierbarkeit – also müsse die mittels DRM verhindert werden, weil die Menschen sich sonst – es ist vom Musikmarkt her bekannt – haufenweise Festplatten mit kopierten E-Books befüllen könnten.

Dies aber ist der falsche Weg, weil DRM die Kunden gängelt. Als Kunde habe ich keine Lust, mich mit verschiedenen Formaten und Speichermöglichkeiten für E-Books auseinanderzusetzen, ich möchte mein E-Book auch in zwanzig Jahren (mehreren Gerätegenerationen) noch lesen können, ich möchte mit den Texten arbeiten und die E-Books verleihen, verschenken und verkaufen dürfen – kurz: aus der Sicht eines potentiellen Käufers muss ein E-Book alles können und erlauben, was ein klassisches Buch auch kann – nur mehr (hier beschrieb ich diesen Anspruch schon einmal für Schulbücher), denn mehr ist technisch möglich.

Im Bereich der Musik zeigt sich inzwischen Folgendes (und ich vermute, alles ist übertragbar auf den E-Book-Markt): über den legalen Weg der Privatkopie kann jeder Musiknutzer jede Datei über Umwege umsonst bekommen. DRM ist nutzlos, weil allenfalls störend, kann aber die Kopie nicht verhindern. YouTube ist trotz des Störfeuers von Seiten der GEMA eine Quelle für Musik, deren kultureller Wert als Archiv kaum zu überschätzen ist – und ersetzt darüber hinaus das Probehören im nicht mehr existierenden Plattenladen (der übrigens im Regelfall seine Pforten schloss, bevor man an MP3-Player dachte). Funktionierende (und übrigens sehr lukrative!) Verkaufsmodelle à la iTunes hingegen funktionieren über Bequemlichkeit (der Nutzer muss nicht fragen, ob jemand jemanden kennt, der jemanden kennt, der eventuell die MP3-Datei kopieren könnte, sondern lädt sie einfach herunter) und niedrige finanzielle Hürden (99 ct sind eben relativ wenig und wirken nicht kaufhemmend). Was allerdings gekauft wird (wenn auch nur von einem kleinen Teil der Dateieigner), sind gute CDs – besondere, zum Beispiel limitierte oder aber anderweitig nicht austauschbare Ausgaben, solche mit früher selbstverständlichen Zugaben wie Texten in lesbarer Größe etc. Das große Geld verdient der Künstler jedoch dem Hörensagen nach mit Konzerten, für die Fans durchaus erkleckliche Summen zu zahlen bereit sind. Crowdfunding ist in diesem Bereich ebenfalls nicht mehr ganz neu – beispielsweise Amanda Palmer hat mit der Finanzierung über Kickstarter die zehnfache Summe dessen eingenommen, was sie für ein neues Projekt zu brauchen glaubte.

So ähnlich könnte es im Buchhandel auch kommen – und es wäre gegenüber dem durch den Wandel zum E-Book befürchteten großen Kahlschlag möglicherweise die bessere Alternative. Der Sortimentsbuchhandel muss die Verlage dazu drängen, dass der Standard für das verkaufte Buch die möglichst nicht per DRM geschützte kostenlos dreingegebene E-Book-Datei ist (die im crossmedialen Workflow ohnehin nebenbei entstehen kann), denn für das E-Book als Standard ist der Sortimentsbuchhandel überflüssig. (Amazon testet schon.) Ähnlich wie die MP3-Datei wird dieses E-Book kopiert werden – warum auch nicht? Es ist allerdings als Werbeträger (so Cory Doctorow, den ich aufgrund dieser Äußerung kennenlernte und von dem ich kürzlich ein papiernes Exemplar kaufte, obwohl es das Buch kostenlos auf seiner Seite gibt) zu verstehen – just so wie die Videos auf der Website einer Band, die gerade durch das kostenlose Zur-Verfügung-Stellen von Musik CDs/Konzertkarten/Weiteres zu verkaufen gedenkt. Wer von der Qualität des Buches (analog zum oben angeführten Lego-Beispiel) überzeugt ist, wird es – gleich dem CD- und Vinylsammler – zuhause stehen haben wollen: fadengeheftet, leinengebunden, auf feinem Papier, oder wohlfeil zwischen zwei Pappdeckel geklebt, weil man, am Strand liegend, mit dem Bleistift Anmerkungen anbringen will. Möglicherweise wird in der Buchhandlung der Zukunft auch der Veranstaltungsteil einer größere Bedeutung haben: wie der Musiker an seinen Konzerten, so verdient die Autorin an ihren Lesungen – die Buchhandlung wäre Veranstalter, erweiterter Büchertisch und ganz allgemein kulturelles Zentrum. Veränderungen, ja – aber nicht notwendigerweise Verschlechterungen.

DRM jedenfalls wird den Buchhandel nicht retten, sondern den Kunden nur Sympathie für diejenigen spüren lassen, die die Zeit und Energie aufbringen, die als lästig empfundenen Regeln durch mehr oder minder kreative Mittel zu überwinden.

Wie geht’s weiter mit der Schule? (3)

Zu den Erkenntnissen Herrn Raus von der Digilern 2012 schrieb ich in etwa:

Danke für die Eindrücke und mitgeteilten Erkenntnisse (in deren Nähe sich meine auch befinden).

Nur noch ein paar Gedanken: Die Realität zeigt, dass das – »Es ist völlig egal, was die meisten Teilnehmer, mich eingeschlossen, wollen oder denken. Entscheidungen fallen anderswo« wahr ist. Andererseits haben schon Generationen Lehrkräfte (nicht immer zum Besten der Schule) gezeigt, dass es ihnen völlig egal ist, was anderswo gewollt oder gedacht wird – die Entscheidung fällt in ihrem Unterricht. Das ist sehr ärgerlich, wenn anderswo Gutes gewollt wird und der Grund für das Beharrungsvermögen in Bequemlichkeit liegt. Ich kenne aber (auch und gerade aus der Lehrerblogosphäre) eben auch viele gute Beispiele, bei denen Lehrkräfte kreativ drauflosprobieren und eine Menge Gutes dabei passiert. Nutzen wir doch unsere Freiheiten!

Ein Smartboard habe ich gerade gestern wieder auf einer Fortbildung in Aktion gesehen. Es musste (wegen Rechnerwechsels) mehrmals kalibriert werden (eine Angelegenheit von einer Minute für einen smartboardkompatiblen Menschen, eine Verzögerung von mehreren Minuten, die vom »nur mal schnell zeigen« abhält, für alle anderen …) und verführt den das Board Bedienenden dazu, sich nur mit dem Board zu unterhalten, da ja alle Bedienelemente dort sind …

Das digitale Schulbuch scheint mir auf eine Katastrophe zuzulaufen - was aber in der Natur der E-Booksache (wie die Verlage es sich vorstellen) liegt: lade ich einen freien Text für 0 Euro auf meinen virtuellen Kindle herunter, kann ich mit dem Text außer Lesen genau gar nichts anstellen. Ich möchte aber mit ihm arbeiten, ihn kopieren, auseinanderpflücken, bei Wordle zu hübschen Wortwolken werden lassen können … stellt aber Amazon ihn zur Verfügung, bezahle ich die Leistung des Zurverfügungsstellens mit seiner Unbrauchbarkeit. So arbeiten letztlich auch alle Verlage. Weil das Buch (in seiner alten Form) so enorm praktisch war, fallen die unnötigen Einschränkungen umso mehr auf. Grummelgrummelgrummel.

E-Book als Werbeträger.

»Ich bin also nicht sehr besorgt, dass Leute ein eBook als Ersatz für ein gekauftes Buch nehmen könnten. Mein Problem ist nicht Piraterie, sondern Unbekanntheit: Wenn Leute meine Bücher nicht kaufen, liegt es wahrscheinlich daran, dass sie noch nie davon gehört haben und nicht daran, dass ihnen jemand eine elektronische Version umsonst gegeben hat.« (Cory Doctorow, boingboing; hier im Interview.)