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»Glück« und »Flow« im Comic.

The Oatmeal betrachtet das im Philosophieunterricht immer mal wieder untersuchte Thema Glück – bei dem bei uns meist nicht nur antike Glückskonzeptionen gegenüber gestellt werden, sondern meist auch auf die modernere Variante Mihály Csíkszentmihályis hingewiesen wird: How to be perfectly unhappy.

Philosophische Konferenz

Angelehnt an die aus dem Deutschunterricht bekannte Schreibkonferenz habe ich heute im Philosophieunterricht des 11. Jahrgangs philosophische Konferenzen durchführen lassen. Zum Unterrichtsgang:

Thema ist die Auseinandersetzung um Willensfreiheit vs. Determinismus, ein Standardthema der philosophischen Ethik, weil die Entscheidung zwischen diesen Alternativen entscheidende Konsequenzen im Hinblick auf die Beurteilung von Handlungen (und damit potentiell auch für die Frage von Verbrechen und Strafe) hat.

Begonnen haben wir mit einem einführenden problematisierenden Zitat aus Thomas Nagels empfehlenswertem Büchlein Was bedeutet das alles?:

Nehmen wir an, Sie stehen Schlange in einem Selbstbedienungsrestaurant, und nun da Sie bis zu den Desserts vorgedrungen sind, können Sie sich nicht zwischen einem Pfirsich und einem riesigen Stück Schokoladentorte mit Buttercreme obendrauf entscheiden. Die Torte sieht gut aus, doch Sie wissen, daß sie dick macht. Dennoch nehmen Sie sie und essen sie mit Vergnügen auf. Am folgenden Tag schauen Sie in den Spiegel oder stellen sich auf die Waage und denken: »Hätte ich doch diese Schokoladentorte nicht gegessen. Ich hätte statt dessen einen Pfirsich essen können.«

»Ich hätte statt dessen einen Pfirsich essen können.« Was bedeutet das und ist es auch wahr?


Diese Texteinleitung habe ich per OHF an die Wand projiziert. Aufgabe für die S ist es, diese Frage schriftlich in Stillarbeit zu beantworten. Sie haben gut zehn Minuten Zeit.

[Solange die S arbeiten, kann ich rasch erläutern, dass die Unterrichtsversorgung an schleswig-holsteinischen beruflichen Gymnasien besser sein könnte; beispielsweise werden den Schulen planmäßig weniger Stunden zugewiesen als sie laut Stundentafel eigentlich bräuchten.

So erteilen wir Philosophieunterricht im 11. Jahrgang nur einstündig; da wir jeden Unterricht in Doppelstunden ohne Pausen unterrichten (also 90 Minuten am Stück), unterrichte ich zwei Parallelkurse im vierzehntägigen Wechsel. Und ja: Doppelstunden sind was Feines.]

Noch während die S arbeiten, schreibe ich die Aufgabenabfolge für die Gruppenarbeitsphase, die philosophische Konferenz, an die Tafel:

1 Lesephase: jeder liest jeden Text.
2 Aufgabe: Notieren Sie zu jedem Text eine weiterführende / erschließende Frage.
3 Wenn alle mit dem Lesen fertig sind, diskutieren Sie in Ihrer Gruppe das Problem der Willensfreiheit, wie es sich für Sie darstellt.
4 Küren Sie in Ihrer Gruppe einen vorlesenswerten Text.

Sind die S mit dem Schreiben fertig, erläutere ich ggf. noch einmal die Aufgaben und teile dann die S in Zufallsgruppen – heute per Skatspiel (verdecktes Verteilen gemischter Karten: je S eine Karte; sodann müssen sich alle Könige, alle Bauern etc. zu Vierergruppen zusammentun. Erinnerung: »Gruppen bildet man durch Aufstehen«).

Sind die Gruppen gebildet und haben die S ihre Plätze eingenommen, beginnt die oben skizzierte philosophische Konferenz. Während dieser höre ich immer wieder in die verschiedenen Gruppen 'rein.

Hinterher haben die S die besten Texte vorgelesen, mehr oder weniger ausführlich kommentiert.

Anschließend haben wir von mir auf einem Arbeitsblatt zusammengestellte Auszüge aus dem Kapitel gelesen und den von Nagel eingeführten Terminus Determinismus geklärt, sodass deutlich wird, dass es mindestens zwei grundsätzlich verschiedene Ansichten über das Problem der Willensfreiheit gibt, wobei deterministische Ansichten durch neuere Ergebnisse der Hirnforschung Rückenwind zu bekommen scheinen (siehe zum Beispiel hier und hier).

Freiheit? Bestimmung?

Die durch Erkenntnisse der Neurowissenschaften erneut augeworfene Frage, inwiefern unser Handeln determiniert sei und welche Folgen dies zum Beispiel für das Strafrecht habe, wird in mehreren Artikeln in der Telepolis beleuchtet: »Revolutionieren die Neurowissenschaften die Gesellschaft?«, »Die Abhängigkeit des Bewusstseins von Hirnprozessen«, »Psychiatrische und (neuro-)psychologische Gutachten vor Gericht« und »Von der Neuroethik zum Neurorecht?«.

Des Roboters Rechte.

Vor kurzem habe ich die ST:TNG-Folge »Wem gehört Data?« im Philosophieunterricht des 11. Jahrgangs gezeigt und mit den S besprochen, nun gibt es den Vortrag zum Film: Robert Alexy: Data und die Menschenrechte – Positronisches Gehirn und doppeltriadischer Personenbegriff. [Via SWR; Update wegen Linkwechsel (2010-10-02)]

Wie erkläre ich das meinen Schülern?

Dass Herr Daschner trotz der Androhung von Folter während der Ermittlungen im Entführungsfall Jakob von Metzler weitgehend straffrei aus dem Prozess geht, ist falsch und bedauernswert.

Die Entführung war ein Verbrechen, und ich würde vermutlich zu allem Unausdenklichem in der Lage gewesen sein, wäre ich an der Stelle der Eltern gewesen und mir der Entführer in die Hände geraten. Diese emotionale Reaktion ist verständlich, gegen sie ist auch gar nichts einzuwenden. Der Staat mit jedem einzelnen seiner hoheitlichen Vertreter indes – und da bin ich ganz Law-and-Order-Mann – muss sich an Recht und Gesetz halten. Unbedingt. Ohne Ausnahme. »Ehrenwerte Motive«, mit Verlaub, zählen da gar nicht. –

»"Zwar dürfe dem Gerichtsentscheid zufolge nicht gefoltert werden", sagt er [Oliver Tolmein], "wer es aber doch tut, hat offenbar ja keine Strafe zu erwarten". Die sogenannte Verwarnung mit Strafvorbehalt bezeichnet der Justizexperte als "sehr umstritten", weil sie weder ein klares Urteil noch einen Freispruch bedeute. Zudem habe der Angeklagte im Verlauf der Verhandlung keinerlei Reue für sein grundgesetzwidriges Verhalten gezeigt. "Normalerweise würde das straferschwerend ausgelegt werden", sagt Tolmein, "zumal das Vergehen von dem Gericht anerkannt wurde."«

Weiter im Artikel von Harald Neuber: Folter bleibt in Deutschland ohne Strafe.

Die oder wir.

In seinem Artikel Wenn der Staat Unschuldige opfert analysiert und beurteilt Reinhard Merkel das Luftsicherungsgesetz: »Paragraf 14 Absatz 3 des neuen Luftsicherungsgesetzes erlaubt dem Staat die gezielte, vorsätzliche und massenhafte Tötung unschuldiger Bürger, um viele andere unschuldige Bürger aus einer Lebensgefahr zu retten. Ein entführtes und mit Passagieren gegebenenfalls voll besetztes Flugzeug darf auf Befehl des Verteidigungsministers abgeschossen werden, wenn es als Waffe gegen das Leben anderer Menschen eingesetzt zu werden droht.«

Merkel arbeitet den utilitaristischen Kern der hinter dieser Prioritätensetzung stehenden Entscheidungsfindung heraus und zeigt ihre Unvereinbarkeit mit unserer herkömmlichen Vorstellung von Grundrechten: »Es geht nicht einfach um das Leben der Passagiere. Es geht um den Bruch einer Grundnorm der Rechtsordnung. Es geht, noch einmal, um die Exklusion "Unschuldiger" aus dem Recht.« -- Lesen!