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Gelesen. Beigbeder.

Frédéric Beigbeder: Ein französischer Roman. München: Piper, 2010.

Beigbeder kokst. So weit, so alltäglich offenbar im Promi-Jetset-Stars-und-Sternchen-Milieu. Allerdings schnieft er sein Pülverchen von der Motorhaube eines öffentlich sichtbar abgestellten Autos, wird dabei erwischt und verbringt zwei Nächte hinter Gittern.

Dies ist Anlass für eine Selbstbefragung, für einen Rückblick in die Kindheit und Jugend, aber auch für eine Reflexion über das derzeitig Erreichte – während Beigbeder im Gefängnis über seine Verwahrlosung räsoniert, bekommt sein Bruder das Kreuz der Ehrenlegion verliehen, was dem Kokser ein nur zu deutliches Zeichen für das eigene Scheitern trotz (vermeintlich) gleicher Ausgangsbedingungen ist.

Es gibt also einige larmoyante Passagen. Trotzdem wird das Buch zunehmend interessanter – wenn beispielsweise die Eltern-Kind-Beziehungen, Lebensentwürfe und -realitäten der verschiedenen Generationen gegeneinander gestellt werden, wenn es insbesondere um die Bedeutung der Tochter für Beigbeder geht und so fort. Hier ist Leben.

Beeindruckend gerät ihm auch die Schilderung der Willkür des Staatsanwalts, der Beigbeder aufgrund seiner Prominenz eine weitere Nacht im Gefängnis – und zwar im Depot auf der Île de la Cité – beschert. Nach einer Schilderung der unmenschlichen Verhältnisse schreibt Beigbeder:

»Ich weiß, was einige Leser jetzt denken werden: Lieschen Müller spielt Marie-Antoinette im Kerker! Das denken Sie nur, weil Sie noch nie eingesperrt waren.

Jeder, der schon einmal in Untersuchungshaft gesessen hat, weiß, wovon ich spreche: vom Rückfall in den Zustand eines gefügigen, verängstigten Tiers. […] Das Echo der Schritte wird für immer in meinem Kopf widerhallen. Das Klirren der Ketten, der Schlüssel, der Handschellen, das Schluchzen. Die Eiseskälte unter der Erde. […] Frankreich hat Milliarden Euro aufgetrieben, um 2008 seine Banken wieder flüssig zu machen, aber diese Menschenverrotterei mitten in Paris nimmt man hin. […] Es ist der Wille der Regierung, diesen niederschmetternden Ort im Herzen unserer Innenstadt weiterbestehen zu lassen. Jemand hat ganz rational entschieden, Menschen in Frankreich zu foltern.« (197 f.)

Ich habe das Buch als Leseexemplar in die Hände bekommen (Dank an Piper!), hätte es mir wohl nicht gekauft, weil ich mir Beigbeder bislang als Werbefuzzi, der auch ein bisschen schreibt, vorgestellt hatte. Dieses Bild ist revidiert und korrigiert. Das Buch ist sicher kein Roman – aber eine romanhaft verdichtete, aufmerksame und durchaus lesenswerte Lebenszwischenbilanz.

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