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»Promi-Pauker«? – Nein, danke.

Das ZDF lädt mich in einer persönlich adressierten Spam-Mail ein, in meinem Blog die Sendereihe »Promi-Pauker« zu bewerben. Ich sehe davon lieber ab. Warum, steht in meiner Mail an den Absender:

Sehr geehrte […],

[Diese Mail wird in meinem Blog veröffentlicht. Mit Ihrer Antwort erteilen Sie mir die Genehmigung, die Antwort ganz oder in Auszügen zu veröffentlichen.]

[…]

einer der ersten Blogger dieses Landes bemerkt bei einer solchen Gelegenheit gern, man müsse den Kakao, durch den man gezogen wird, ja nicht auch noch trinken:

Lehrer sind »Pauker«? - Wenn Otto Normalverbraucher dies so formuliert, weil er in der Schule mal schlechte Erfahrungen gemacht hat, habe ich kein Problem damit. Würde ein Privatfernsehsender eine Sendung so nennen, sähe ich meine Vorurteile gegenüber diesen nur bestätigt. Wenn aber das auch durch meine Gebühren finanzierte öffentlich-rechtliche Fernsehen derlei Belustigungen millionenfach verbreitet, ist dies ein in seiner volkstümlich anbiedernden Dreistigkeit peinliches Schauspiel, das von mir ganz sicher nicht unterstützt wird.

Der zweite Bestandteil des Titels referiert auf C-Prominente, die sich im Bewusstsein ihres schwindenden Bekanntheitsgrades auf jede tumbe Show-Idee einlassen: auch schlechte Publicity sei immerhin Publicity.

Sie schreiben, die »Promis« seien durch ein »Kurzreferendariat« von einer Woche auf den Einsatz vorbereitet worden. Man fragt sich natürlich, warum echte Referendarinnen und Referendare eineinhalb bis zwei Jahre Referendariat absolvieren müssen, wenn das ZDF das doch in einer Woche organisieren kann.

Die Schülerinnen und Schüler werden dabei in Ihrer »Doku«-Soap in ihrem Eindruck bestätigt, dass das Fernsehen das wahre Leben mitbringe – ist es doch viel aufregender, vor einem Kamerateam wahlweise zu rebellieren oder zu parieren: Hauptsache, man schickt uns »Prominente«. Wenn sie dann aber wieder gehen, zieht der graue Alltag wieder ein. Was meinen Sie: haben die Lehrer der betreffenden Klassen es danach einfacher?

Sie instrumentalisieren die Schülerinnen und Schüler für die Quote. Ein wahres Bild von Schule interessiert Sie nicht. Es geht bei dieser wie bei allen »Doku«-Soaps um die Bestätigung bestehender Ressentiments, um die voyeuristische Freude am Misslingen.

Der Lehrerberuf ist ein ziemlich großartiger. Ich würde ihn gegen keinen anderen tauschen wollen. Aber es ist kein einfacher Beruf, keiner, den man mal so rasch zur Belustigung eines traurigen Publikums ausüben kann.

Ich täte keinem Auto Gutes, an das man mich nach einem einwöchigen Schnellkurs zum Kfz-Mechatroniker heranließe. Kein Autobesitzer hätte Vertrauen zu mir. Und er hätte recht in seinem Misstrauen. Kfz-Mechatroniker ist nämlich ein ziemlich kniffliger Beruf, in dem man viel können und wissen muss. Nichts von all dem wüsste ich nach einer Woche.

Und – jetzt verrate ich Ihnen vermutlich Neues - Schülerinnen und Schüler sind sogar noch empfindlicher, komplexer und wichtiger als jede S-Klasse. Ich sähe ungern C-Prominente stümperhaft an ihnen herumexperimentieren.

Haben Sie also bitte Verständnis dafür, dass ich in der Tat von diesem Kakao nicht trinken möchte.

Mit freundlichen Grüßen


Wer mehr lesen möchte, guckt bei Frau Freitag nach.

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Kommentare

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croco am :

*Chirurg in 6 Tagen...
Rennfahrer in einer Woche....
Keiner würde es glauben, jeden würde es gruseln.
Ein Land , das 82 Millionen Bundstrainer hat, hat auch 82 Millionen Lehrer. So viele wissen genau wie es geht, und keiner will es machen.
Obwohl: ich liebe meinen Beruf!!!

Peter Blomert am :

*Unsere Schule wurde von der Produktionsfirma der Sendung angeschrieben mit der Bitte, die Sendung bei uns drehen zu dürfen.
Hier meine Antwort:

Sehr geehrte Frau •••••,
Ihre Mail wurde vom Fachbereich Schule und Sport Ihrem Wunsch entsprechend an mich weitergeleitet.
Herzlichen Dank für Ihr Interesse an unserer Schule. Leider muss ich Ihnen mitteilen, dass das von Ihnen beschriebene Format nicht zum Profil unserer Schule passt.
In unserer Schulvereinbarung (http://espenstrasse.squarespace.com/schulvereinbarung/) steht als erster Grundsatz: "Das Lernen steht im Mittelpunkt – Dieser Satz bestimmt all unser Handeln an der Gesamtschule Espenstraße."
Das von Ihnen beschriebene Format scheint uns nicht geeignet, diesem Satz Geltung zu verschaffen.
"Prominente" in die Schule zu bringen und nach einem Crashkurs unterrichten zu lassen, scheint zum einen wenig geeignet, die Lernprozesse der Schülerinnen und Schüler zu befördern. Des Weiteren scheint dieses Format aber auch wenig geeignet, der Öffentlichkeit die Komplexität der Arbeit unserer Kolleginnen und Kollegen näher zu bringen.
Wir sehen die Gefahr, dass das von Ihnen vorgestellte Format eher Schadenfreude am Scheitern der Prominenten oder die Banalisierung der pädagogischen Arbeit der Schule zur Konsequenz hat.
Sollten Sie irgendwann einmal unsere KollegInnen selbst für mehrere Wochen bei ihrer Arbeit begleiten wollen, um so der Öffentlichkeit einen tieferen Einblick in die Schwierigkeiten und Freuden des Lehrberufs zu geben, so könnten wir uns eine Zusammenarbeit gut vorstellen.
Mit freundlichem Gruß
Peter Blomert
Schulleiter Gesamtschule Espenstraße

Hanjo am :

*Eine gute Antwort, die der Verantwortung gerecht wird (ich hoffe, viele Schulleiter haben ihr Nichteinverständnis auf diese Weise verdeutlicht).

(Eine informative und Ihre Haltung positiv repräsentierende Website hat Ihre Schule!)

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