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Herbert Kranz und »Ubique Terrarum«.

Titelbild Kranz:

Zu Herbert Kranz gibt es auf diesen Seiten und in der Wikipedia etwas nachzulesen; beide Biografien scheinen mir jedoch eher exkulpierend im Hinblick auf die Rolle Kranzens im "Dritten Reich": so informiert die Wikipedia

»Ab 1933 gerät er mehrmals ob seiner liberalen Einstellungen auch in seinen Werken mit der herrschenden Nazidiktatur in Konflikt, wird sowohl von Zeitungen (1943 Frankfurter Zeitung), als auch von der Akademie (1933) entlassen.

Nach dem Krieg wohnt er als freier Schriftsteller [...].«

– Kein Wort mithin zum Beispiel über Das Buch vom deutschen Osten, in dem Kranz die Geschichte deutscher Besiedelung in Osteuropa durch die Jahrhunderte erzählt. Im Vorwort schreibt er:

»Nie wird er [der Verfasser, Herbert Kranz] einen Sonntagnachmittag im Juli [1939] vergessen. Er schrieb gerade über Friedrich den Großen [...] Sätze nieder [...] – da hallte von draußen der Marschtritt von Soldaten und das unheimlich klanglose Klappern von Pferdehufen auf den Asphalt. Er trat ans Fenster und sah unten ein Infanteriebataillon durch die Straße ziehen, dessen Ziel der Westwall war. Auf die folgenden großen Geschehnisse, den Zusammenbruch Polens, die Neuordnung des Ostens mit ihren beispiellosen Umsiedlungen, konnte das Buch, das im November 1939 erschien, nur eben hinweisen.«

Polen sei also einfach so zusammengebrochen – vor diesem Hintergrund würde es mich schon interessieren, was Herbert Kranz im in der Frankfurter Illustrierten 1940 erschienenen Artikel »So war es in den entscheidenden Stunden« zu sagen hatte - leider liegt mir diese »auf Grund der Akten und mündlicher Mitteilungen der beteiligten Herren des Auswärtigen Amtes« veröffentlichte »erste Geschichtsreportage« nicht vor.

Im Buch vom deutschen Osten jedenfalls verbreitet Kranz recht ungeniert die Mär vom starken Deutschland, das den anderen Gebieten, die wie von selbst sich Deutschland angegliedert hätten, nur helfend beigesprungen sei:

»Österreich wurde wieder die Ostmark des Deutschen Reichs, [...] Memel kehrte zum Reich zurück, Danzig folgte ihm, und als Polen, getreu seiner Tradition, die unsinnigsten Wunschgebilde als Wirklichkeit zu nehmen [...] den deutschen Vorschlag einer gedeihlichen Regelung der Beziehungen zum Deutschen Reich nicht einging, dazu aber fortfuhr, die Volksdeutschen seiner Gebiete unmenschlich zu behandeln, vernichteten die deutschen Truppen in einem achtzehntägigen Feldzuge, wie ihn die deutsche Geschichte noch nicht gesehen hatte, das polnische Heer [...]. Die zur Führung berufenen Mächte des Ostens, Deutschland und Rußland, konnten nun darangehen, diesen Osten neu zu gliedern [...].«

1943 übrigens wurde dieses Buch nochmals unverändert nachgedruckt; nach einem unerwünschten Schriftsteller sieht dies nicht aus.

Hinzu kommt der Eindruck der Kinder- und Jugenbuchsammlung der Universität Graz, »die Ostafrika-Erzählungen von Herbert Kranz [spiegelten] gewaltsame Eroberung, imperiale Unterdrückung und Rassenwahn« wider. Ob das so ist, kann ich mangels Belegexemplaren nicht verifizieren; auch ist ein deutlicher Unterschied zwischen »widerspiegeln« und »gutheißen« – hier wäre sicher Bedarf für genaue Analyse.

Zumindest die in den Lexikonartikeln angedeutete Aussage, Kranz sei ein deutlicher Gegener des Naziregimes gewesen, lässt sich sicher nicht halten; hier sollten die Autoren Wahrheitstreue walten lassen und nichts beschönigen.

In der Generation der in den 40er und 50er Jahren geborenen Männer ist der Name Kranz hingegen mit ganz anderem verknüpft: mit der Kinderbuchreihe »Ubique Terrarum«: in klassischer Abenteuerromanmanier handelt sie von den Erlebnissen einer Gruppe von sechs Männern, die im Auftrag einer Londoner philantrophischen Company Aufträge in aller Welt ausführt - Mission impossible auf katholisch.

In ihrer Zusammensetzung und ihrem pädagogischen Impetus steht sie für Völkerverständigung, moralische Integrität und gleichberechtigtes Miteinander. Sie verdeutlicht den Wert von Wissen und Erfahrung, Neugier und Toleranz, zeigt, wie Hierarchie in Frage gestellt und allenfalls freiwillig anerkannt wird.

In einem heute liebenswert antiquiert wirkenden Ton wurden die noch nicht fernsehgewöhnten Jungs der 50er und 60er Jahre über Sitten und Gebräuche in fernen Ländern aufgeklärt, lernten unbekannte Gegenden kennen und erfuhren, wie in einem Team (damals noch nicht so abgenutzt wie heute) zusammengearbeitet wird, indem jeder seine Fähigkeiten zum Besten des Ganzen einbringt.

Da ich als Zwölfjähriger zwei Bücher Kranzens, die mein Vater in seiner Kindheit gelesen hatte, in meine Bibliothek stellen durfte und mich Karl Mays Elaborate schon immer langweilten, waren eben diese sechs Heroen – allen voran GG und der Chef, der in seiner Sprechweise so angenehm norddeutsch erschien – auch die meinen.

Lange Zeit hindurch waren die im Buchhandel vergriffenen Bücher nur antiquarisch – und damit teuer; es werden bis zu 50 € für einen Band der zehnbändigen Reihe verlangt – zu erwerben, nun hat der Enkel Kranzens, Georg Kranz, dankenswerterweise eine (bearbeitete) Neuauflage initiiert; sie erscheint als Book on Demand, die ersten zwei Bände sind erschienen.

Von Georg Kranz werden auch Leseproben bereitgestellt; hier die aus dem dritten Band, Tod in der Skelettschlucht.

An Sekundärliteratur ist Dr. Uli Ottos Auf den Spuren von »Ubique Terrarum« zu nennen, ich hab's aber erst bestellt, noch nicht gelesen.

Trackbacks

ats20.de am : Gelesen. Mühlenweg.

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Fritz Mühlenweg: In geheimer Mission durch die Wüste Gobi. Lengwil: Libelle, 2007. »Es gibt keine Hilfe«, sagte Großer-Tiger düster. »Es gibt keine Hilfe«, bestätigte Christian. »Wie!«, rief Großer-Tiger, »du sagst auch, es gibt keine Hilfe? Da

Kommentare

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Hanjo Iwanowitsch am :

*Nein, nein, es geht nicht darum, uns als besser darzustellen als die damals handelnden Menschen, sondern darum, Tatsachen nicht um eines besseren Bildes wegen zu verschweigen. Das nämlich wäre - glaube ich - nicht im Sinne des Herbert Kranzens, den wir schätzen.

peng am :

*Hallo,
ich bin jener Schreiber aus der Wikipedia. Ich will nichts beschönigen, aber nach deiner Definition hätten wohl alle, die in jener Zeit ''überlebten'' , sei es als Journalist, Autor oder Schauspieler, indirekt zumindest das Naziregime unterstützt. Immerhin hatte Kranz zu dieser Zeit Frau und Kinder zu versorgen und nur ER könnte uns noch erzählen, inwiefern ihm mit Entlassung oder Schlimmerem gedroht worden war, wenn er nun nicht mal was "Positives" zu erzählen hätte. Zur genaueren Beleuchtung seines Wirkens in der Naziära fehlten mir allerdings auch die Quellen. Eine " Karriere" dürfte er allerdings NICHT gemacht haben, sonst wäre sicherlich mehr durchgesickert. Trotzdem , schön einen Freund seiner Ubique - Bücher getroffen zu haben. Und nur aus diesem Grund hatte ich in der Wiki den Artikel verfasst. Nichts für ungut.
Peng

Hanjo Iwanowitsch am :

*Wenn du schreibst, Kranz gerate mit der Nazidiktatur in Konflikt und werde daher entlassen, dann mögen das zutreffende Fakten sein. Wenn die nächste Eintragung in seiner Biographie nach dem Krieg einsetzt, impliziert das die Vermutung, er habe nicht weiter publizieren können. Aber genau das hat er getan. Es fehlen also Angaben im Lebenslauf, die aus dem vermeintlich deutlichen Oppositionellen mindestens einen Mitläufer werden lassen.

Uli Otto übrigens ist in seinem Buch über UT, das ich nun inzwischen gelesen habe, ganz offen mit diesem Lebensabschnitt Kranzens umgegangen: er hat ihn nicht dramatisiert, sondern ihn einfach nur wie andere Lebensabschnitte auch so geschildert, wie es die vorliegenden Dokumente und Lebenszeugnisse angeraten sein ließen.

An anderer Stelle schrieb ich dazu:

"gerade seine UT-Bände verdeutlichen, dass Kranz einer derjenigen war, die frühere Irrlehren - soweit Kranz im "Dritten Reich" aus Überzeugung schrieb und nicht nur um des Geldes willen - auch als falsch erkannten.

Zudem ist gerade die Charakterzeichnung wichtig: Kranz verdeutlicht an Figur und Neunauge, dass das frühere Leben der beiden (auch in moralischer wie juristischer Hinsicht) nicht immer das Beste war. Auch Tschandru-Singh begeht seine Fehler, ebenso wie - ganz deutlich - der Chef. Trotzdem werden sie anerkannt in ihrem jetzigen Bemühen um den Erfolg der jeweiligen Mission. Das Verzeihen-Können gehört zu den Grundtugenden der Kranz-Figuren gerade in Kenntnis ihrer jeweiligen Vergangenheit.

Ich vermute, dass Kranz die Figuren nicht ohne Grund so widersprüchlich und fehlbar angelegt hat, sondern dass durchaus auch der Wunsch eine Rolle spielte, ebenso nachsichtig behandelt zu werden.

Wahrhaftigkeit ist den Figuren Kranzens ein Wert, man sollte sie auch ihm angedeihen lassen. Deshalb habe ich eben mal ein wenig genauer hingeguckt - es bedürfte genauerer Forschungen und Befragungen, um ein stimmiges Urteil fällen zu können.

Mein Blick war aber - und ich hoffe, das ist deutlich geworden - der eines Fans. :-) "

Abraxas am :

*Hallo Hanjo,

das mag alles stimmen, was Du sagst. Überprüfen kann und will ich es nicht, und meine Antwort fasse bitte generell auf, da vielen der Vorwurf der Unterstützung des Naziregimes bzw. des Gedankenguts und der Weltanschauung gemacht wurde.

Aber wie hätten wir uns denn verhalten? Hätten wir denn widerstanden?

Wie verhalten wir uns heute in unserer scheinheiligen, scheinfreien Welt, in der Du angeblich sagen und tun darfst, was Du willst? Darfst Du eben nicht!

Wir leben wie die Frösche in einem Topf Wasser, der langsam aber sicher hochgekocht wird, bis die Frösche unmerklich bei lebendigem Leib totgekocht sind. Durch die ständige Berieselung gewöhnen wir uns so an den Schmutz, den Dreck, den Terror, die Gewalt und allsowas, daß wir es gar nicht merken, wenn es Besitz von uns ergreift.

Ich meine: Wir hätten auch so gehandelt. Die Schuldigen sind die, die die Menschen zu so etwas gezwungen haben.

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