Hartz IV.
»Über den Daumen gepeilt: Arbeitslosengeld II ist mittelalterlicher Tagelohn. -- Von Erwerbsloseniniatitiven wird gelegentlich der Verdacht geäußert, die »Arbeitsmarktreformer« wollten uns ins Mittelalter zurückkatapultieren. Tatsächlich entspricht die Höhe des geplanten Arbeitslosengeldes II der eines Tagelohns von vor 600 Jahren, nur konnten damals auch arme Menschen aufgrund des Gemeineigentums an Wald und Weideland bescheiden überleben. Heute sind wir der Willkür von Staat und Bürokratie absolut ausgeliefert.« -- soweit die Junge Welt, die ich immer dann mal wieder lese, wenn der Schockwellenreiter sie zitiert.
Ich verstehe es gut, wenn jemand, der unter ungünstigen Lebensumständen sein Dasein fristet, Angst vor finanziellen Verschlechterungen hat.
Ich verstehe auch, dass diese geplante Verbesserungen etwa in der Hilfestellung durch das Arbeitsamt nur müde lächelnd abwinken, umso mehr, als Arbeitsplätze in der kommoden Form, wie sie vor zehn oder zwanzig Jahren üblich waren, nicht in der benötigten Zahl in Sicht sind.
Ich verstehe allerdings nicht, warum (politisch links stehende) Journalisten (?) Tatsachen verdrehen.
Ein üppiges Leben ist mit den Leistungen nach Hartz IV sicher nicht möglich. Allerdings führen auch viele der arbeitenden Menschen ein solches Leben nicht und müssen jeden Pfennig zweimal umdrehen. Gleichwohl finanzieren diese das ALG II mit.
Wie gesagt: ich verstehe jeden, der, betroffen von Kürzungen, klagt. Sich aus undurchsichtigen Motiven heraus jedoch an der Verbreitung von Unwahrheiten zu beteiligen, ist schäbig.
Ich verstehe es gut, wenn jemand, der unter ungünstigen Lebensumständen sein Dasein fristet, Angst vor finanziellen Verschlechterungen hat.
Ich verstehe auch, dass diese geplante Verbesserungen etwa in der Hilfestellung durch das Arbeitsamt nur müde lächelnd abwinken, umso mehr, als Arbeitsplätze in der kommoden Form, wie sie vor zehn oder zwanzig Jahren üblich waren, nicht in der benötigten Zahl in Sicht sind.
Ich verstehe allerdings nicht, warum (politisch links stehende) Journalisten (?) Tatsachen verdrehen.
- Arbeitslosengeld II bekommen Arbeitslose aus Steuern gezahlt, ohne dafür irgendeine Gegenleistung zu erbringen. Wäre dies in der Höhe vergleichbar mit Lohn für einen 10- bis 12-Stunden-Tag harter Arbeit zu irgendeinem Zeitpunkt in früherer Geschichte, zeigte dies in erster Linie an, wie hoch das Niveau ist, auf dem Journalisten jammern.
- Rosa Gölitzer, die Autorin des Artikels, argumentiert -- wie es mir scheint -- kulturhistorisch sehr kenntnisreich und interessant. Allerdings lässt sie wie aus Versehen außer Acht, dass die 345 �?�, mit denen sie rechnet, nur der Regelsatz sind -- zusätzlich werden noch Kosten für Wohnung und Heizkosten gezahlt. Das kann den gezahlten Betrag glatt verdoppeln. Zusätzlich gibt es Kinder- und Altersversorgungsfreibeträge.
- Gleichzeitig ist das ALG II für viele Sozialhilfeempfänger finanziell eine echte Verbesserung -- ein Gesichtspunkt, der von den doch scheinbar für die Kleinen sprechenden Wortführern (aber auch von der regierenden SPD) seltsamerweise beharrlich verschwiegen wird.
- Arbeitslosengeld II ist kein Lohn, sondern eine Leistung, die von allen Steuerzahlern gemeinsam und solidarisch erbracht wird. Und das ist auch gut so. Aber damit zahlen nicht nur die Reichen, sondern auch die kleinsten Angestellten und Arbeiter in einen Säckel, der nicht leichtfertig geleert werden darf. Dass dies in der Vergangenheit bedauerlicherweise an anderer Stelle geschah, ist im Angesicht der Staatsverschuldung keine Begründung gegen eine zukünftig sparsame Haushaltsführung.
- »[...] nur konnten damals auch arme Menschen aufgrund des Gemeineigentums an Wald und Weideland bescheiden überleben. Heute sind wir der Willkür von Staat und Bürokratie absolut ausgeliefert.« -- wie naiv muss man sein, um spätmittelalterliche Herrschaftsverhältnisse als lebenswerter zu empfinden als ein demokratisches Umfeld, in dem eben keine Willkür herrscht, sondern jeder Verwaltungsvorgang von einer Widerspruchsbelehrung begleitet sein muss?
Ein üppiges Leben ist mit den Leistungen nach Hartz IV sicher nicht möglich. Allerdings führen auch viele der arbeitenden Menschen ein solches Leben nicht und müssen jeden Pfennig zweimal umdrehen. Gleichwohl finanzieren diese das ALG II mit.
Wie gesagt: ich verstehe jeden, der, betroffen von Kürzungen, klagt. Sich aus undurchsichtigen Motiven heraus jedoch an der Verbreitung von Unwahrheiten zu beteiligen, ist schäbig.
Kommentare
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Hanjo Iwanowitsch am :
Nein, nein, ich lenke nicht ab - ich bin auf einen Text eingegangen, der eine bestimmte Schwerpunktsetzung vornimmt. Diese vollziehe ich nach.
Auch nur anzudeuten, dass ein Gesetz doch nicht ganz so schlimm sein könne, weil es (mit der angeblichen Verbesserung bei bisherigen Sozialhilfeempfängern) auch etwas Gutes bewirke, ist politisch noch viel schäbiger, als über Nebensächlichkeiten zu diskutieren!
Sozialhilfeempfänger werden zum großen Teil besser gestellt als vorher. Das ist eine Tatsache.
Auch ich entdecke durchaus Gutes an Hartz (wie etwa die Bürokratie abbauende Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe). Dennoch ist und bleibt Hartz IV ein Menschen verachtendes, Tausende von ohnehin am Rande des Existenzminimums durchgeführten Lebensplanungen über den Haufen werfendes, Zwangsarbeit in Deutschland einführendes, Deutschland ins Mittelalter katapultierendes und trotz ALLER evtl gut gemeinter Teilaspekte rundherum abzulehnendes Ermächtigungsgesetz!
Die Hartz-IV-Regelungen als "Ermächtigungsgesetz" zu bezeichnen, diskreditiert nicht so sehr das Gesetz als vielmehr den Kritiker.
Mit der "Zwangsarbeit" meinst du die sogenannten 1-Euro-Jobs? In unserem Kreis gibt es deutlich mehr Bewerber als Stellen - vielleicht sind die Angebote doch nicht so schlecht, wie du meinst?
Im Übrigen haben die Sozialforen durch ein paar Beispielrechnungen schon eindrucksvoll belegt, dass die knappe Erhöhung des Regelsatzes bei weitem nicht die Sachleistungen ersetzt, die Sozialhilfeempfänger bislang bei nachgewiesenem Bedarf zugeschossen wurden.
Dafür muss der Sozialhilfeempfänger nicht mehr um jede Extraleistung einzeln bitten. Ich vermute, dass letzteres für die meisten Bezieher entsprechender Leistungen eine wichtige Sache ist.
Seit wann sind aus Steuern finanzierte Leistungen für Bürger mit Gegenleistungen verbunden?
Die Steuern sind die Gegenleistungen. – Ich halte es für falsch, wenn ein großer Buhei darum gmacht wird, dass man für sein Geld auch arbeiten muss. Du musst es (vermutlich), ich muss es, warum sollte ein arbeitsfähiger Sozialhilfeempfänger/ALG-II-Bezieher es nicht auch tun müssen? Dies ist bei ersteren übrigens schon seit Jahren geübte Praxis, gegen die sich niemand empört hat.
Welche Gegenleistungen erbringst DU denn dafür, dass Du auf ordentlich asphaltierten Straßen fahren darfst, ohne dass Du bei Surm Gefahr läufst, auf jeder Allee von einem herunterfallenden Ast erschlagen zu werden, weil auch die Bäume pfleglich aus Steurmitteln zurechtgestutzt werden? Hä??
Ich zahle Steuern, zahle daher für diese Leistungen. Nebenbei finanziere ich damit auch die Gelder für Sozialhilfe-/ALG II-Empfänger mit. Das finde ich auch ganz richtig so. Ich kann es allerdings nicht verstehen, warum es so schlimm sein soll, dass dieser das tun soll, was ich auch mache: arbeiten.
Wenn Du was brauchst gegen die hiermit deutlich nachgewiesenen Spuren von Gehirnwäsche, dann empfehle ich Dir mein Weblog so-zi-al, aber ganz besonders die NachDenkSeiten von Albrecht Müller: http://www.nachdenkseiten.de!!!
Ich lese öfter auf den Nachdenkseiten und sehe in Müllers Texten oft Bedenkenswertes. Das heißt aber nicht, das alles richtig sein muss.
Dass ich in deinem Weblog jemals lesen werde, hast du schon zuverlässig damit verhindert, dass du Menschen anderer Meinung persönlich diffamierst ("Gehirnwäsche"). Von solchen Leuten lese ich gern möglichst wenig. Insofern sollten wir die Diskussion hier abbrechen.
Manfred am :
Im Übrigen haben die Sozialforen durch ein paar Beispielrechnungen schon eindrucksvoll belegt, dass die knappe Erhöhung des Regelsatzes bei weitem nicht die Sachleistungen ersetzt, die Sozialhilfeempfänger bislang bei nachgewiesenem Bedarf zugeschossen wurden.
Was Du zur Steuerquelle des Alg II sagst, ist zwar richtig, galt aber auch schon für die Arbeitslosenhilfe. Da weder diese Steuereinnahmen noch die Zahl der Empfänger durch Hartz IV nennenswert beeinflusst werden (abgesehen davon, dass viele wg. angeblich ausreichender Partnerbezüge NICHTS mehr erhalten und zu eigenständiger Lebensführung gar nicht mehr fähig sein werden), ist erst recht nicht einzusehen, dass die Mittel so extrem eingeschrumpft werden und man nach nur einem Jahr Arbeitslosigkeit in ein Abhängigkeitsverhältnis gerät, statt wie bei ALH einfach "nur" gestützt zu werden - und ist obendrein eher ein Plädoyer gegen Hungerlöhne als gegen eine menschenwürdige Unterstützung bei unverschuldeter (davon gehe ich immer aus!) Arbeitslosigkeit!
Seit wann sind aus Steuern finanzierte Leistungen für Bürger mit Gegenleistungen verbunden? Welche Gegenleistungen erbringst DU denn dafür, dass Du auf ordentlich asphaltierten Straßen fahren darfst, ohne dass Du bei Surm Gefahr läufst, auf jeder Allee von einem herunterfallenden Ast erschlagen zu werden, weil auch die Bäume pfleglich aus Steurmitteln zurechtgestutzt werden? Hä??
Wenn Du was brauchst gegen die hiermit deutlich nachgewiesenen Spuren von Gehirnwäsche, dann empfehle ich Dir mein Weblog so-zi-al, aber ganz besonders die NachDenkSeiten von Albrecht Müller: http://www.nachdenkseiten.de!!!
Gruß
Manni
guan am :
ergänzend soll noch an die neue eu-dienstleistungsrichtlinie (telepolis-link unten) erinnert werden, welche das kernstück der herausbildung zum schwellenland europa sowie der beginnenden deflationären entwicklung bildet. hiermit wird es also bald auch keinen mittelstand noch ein tragfähiges handwerk mehr geben können. und wer die zeichen der zeit also folglich falsch interpretiert, wird sich sehr bald verwundert die augen reiben, nur weil er es nicht sehen wollte. aber dann soll man bitte nicht wieder sagen dürfen: "wir haben das doch nicht gewusst", denn 2 poster haben nun auch hier darauf aufmerksam gemacht...
2 links dazu:
http://www.labournet.de/diskussion/arbeit/realpolitik/hilfe/eurohey.html
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/18/18965/1.html
gruss
guan