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Gelesen. King.

Stephen King: Das Monstrum. »Tommyknockers«. München: Heyne, 1991.

Glaubt man den Kundenrückmeldungen bei Amazon, ist dies ein schwächeres Werk Kings. Mag sein. Tatsächlich enthalten auch die schwächeren Werke Kings immer noch eine ganze Menge mehr an Leben als große Mengen der ernsten und hochgelobten Literatur. Dafür muss man dann ggf. an in Flammen stehenden Haaren, im Todeskrampf sich windenden zombieähnlichen Kreaturen, großen Mengen grünen Schleims als Nährlösung für als Batterien genutzten Feinden des Systems, platzenden Augäpfeln, zerschossenen Knöcheln etc. vorbeilesen. Das ist genrespezifischer Trash, als solcher natürlich schlecht und Grund genug, um King nicht zu mögen.

Wer King aber deswegen ignoriert, verpasst auch den grimmigen Humoristen: die sich durch den Einfluss eines neuentdeckten Raumschiffartefakts verändernden Kleinstädter erfinden Maschinen zur Zerstörung ihrer Gegner, bedienen sich dabei aus der Alltagstechnik – und so wird uns geboten der Aberwitz fliegender Colaautomaten als Hüter der Kleinstadtgrenzen, ein schwebender Rasentraktor und derlei mehr. Das Schrille, Bedrohliche, Tödliche zeigt sich hier – wie bei King oft – dem Normalen inhärent.

Interessant wird es auch, wenn King Gesellschaft schildert: den Kampf der Frau gegen ihren Mann, der hier – dem destruktiv-inventorischen Furor gemäß – in der Nutzung des Hochspannungsteils des Fernsehers sein Ende findet oder der genau gezeichnete Unterschied zwischen öffentlich verlautbarten Bekundungen (»Wir lieben Ruth alle«) und tatsächlich still-bedrohlichem, letztlich zum Suizid der Verfolgten führenden Handeln einer gleichgeschalteten Menge Mensch, die zwar nicht durch gelbe Schuhe, dafür aber mit Lücken im Gebiss gekennzeichnet wird.

Kings Sympathien sind dabei immer beim Individuum. Und dabei ist beeindruckend seine Zärtlichkeit, mit der er die resignierte Machtlosigkeit des kleinen Bruders schildert, der weiß, dass das neuerfundene Zauberkunststück des großen Bruders ihm nicht gut tun wird, ebenso wie die überzeugende Darstellung des Anti-Atomkraftaktivisten, der auf einer Party für einen Eklat sorgt, indem er grausame Wahrheiten ausspricht, die den Horrorphantasien Kings in nichts nachstehen, aber möglich sind und des Profits wegen in Kauf genommen werden.

[Mit Alexander Kluges Die Lücke, die der Teufel läßt bin ich ja immer noch nicht fertig. Aber die Schilderungen über den Umgang mit dem Unfall in Tschernobyl seien schon jetzt jedem zur Lektüre empfohlen, der noch einmal darüber nachdenkt, ob nicht die Atomkraft doch die sauberere Alternative sei …]

Und der Protagonist eben dieses Skandälchens ist auch der des Buches: ein Loser (King ist immer auf der Seite der Loser), ein schwacher Mensch (King ist …), ein Alkoholiker – der gleichwohl aufgrund einer medizinisch indizierten Immunität gegen die vom Raumschiff ausgehende Beeinflussung als einziger die Kraft besitzt, gegen die erstarkende Macht im Kleinstädtchen zu bestehen. Seine Zweifel, die Ängste des Verfolgten in einer ihm gegenüber einigen und offen zerstörerischen Gesellschaft, schildert King wieder ganz überzeugend.

Tscha, was bleibt?: lesen, natürlich. Seht ihn Euch an –

»:" – :king !"«

Trackbacks

ats20.de am : Was hat es denn nun auf sich mit Terry Pratchetts »Night Watch«-Serie?

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Zur kurzen Einführung: Terry Pratchetts Romane spielen in einer fiktiven »Scheibenwelt«, die als Grundlage sehr verschiedener Serien zu verstehen ist. Zu diesen gehören Zauberer-Romane, Hexen-Romane, Tod-Romane etc. (Näheres zum Beispiel hier, etwas

ats20.de am : Gelesen. King.

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Stephen King: Das Leben und das Schreiben. München: Heyne, 2011. (Danke für den Tipp!)

Kommentare

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Esther am :

*Auch großartig: Stephen Kings Dark Tower-Reihe.
Grüße!

Hanjo am :

*4/7 habe ich durchgehalten. Danach war meine Kraft erschöpft ... :-)

Esther am :

*Hm. Sehr schade.
Ich kenne da einige, denen ging es ähnlich.

Kann ich garnicht verstehen.

nachdenklichguck

philosophus am :

*Ich finde im Gegenteil eher, dass "Tommyknockers" einer der besseren 'späten' Kings ist. Wie sich das Grauen so nach und nach in diese Kleinstadt einschleicht - großartig.

Der Lehrerfreund am :

*"Und dabei ist beeindruckend seine Zärtlichkeit, mit der er die resignierte Machtlosigkeit des kleinen Bruders schildert, "

Wer sich für die Techniken interessiert, mit denen Stephen King solche Rezeption erreicht, sollte sich Kings "Das Leben und das Schreiben" einmal ansehen. Neben halbwegs interessanten Lebenserinnerungen werden Fragen stilistische und erzähltechnische Fragen angesprochen. Aus meiner Sicht für Deutschlehrer/innen ein Muss.

http://www.amazon.de/Das-Leben-das-Schreiben-Memoiren/dp/3453435745/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1308147564&sr=8-1

Hanjo am :

*Gleich mal auf den Wunschzettel gesetzt; danke für den Tip, Berthold!

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