Gelesen. Thome.
Stephan Thome: Gott der Barbaren. Berlin: Suhrkamp, 2018.
Kenntnis- und lehrreicher Roman über die Opiumkriege (Erster, Zweiter): Philipp Neukamp zieht nach der 1848 gescheiterten Revolution in Deutschland als (wenig überzeugter) Missionar nach China und begegnet dort neben vielen anderen missionarisch Tätigen unter anderem Vertretern der sich als christlich verstehenden Taiping-Rebellen, die in Nanking eine Gegenhauptstadt installierten. Andere wichtige Figuren, aus deren Sicht wir das Geschehen erzählt bekommen, sind Lord Elgin, oberster Vertreter der englischen Krone, und Zeng Guofan, der Oberbefehlshaber der Hunan-Armee. Geschildert wird sowohl der innerchinesische Konflikt zwischen den Rebellen und der Regierung in Peking als auch der imperialistische Krieg einer Koalition europäischer Mächte (England steht im Fokus, Frankreich und Russland werden als weitere Parteien genannt). Letztere schließen ihre Friedensverträge (die eher Kapitulationserklärungen sind) ausschließlich mit der offiziellen Regierung ab.
Kein Handelnder (und es sind mit unbedeutenden Ausnahmen ausschließlich Männer) handelt frei von Selbstzweifeln – diese verhindern aber weder die Kriegsführung an sich noch das massenhafte Massakrieren von Zivilisten (ganze Stadtbevölkerungen werden enthauptet). All dies wird als Arbeit einer Maschinerie dargestellt, die durch die Einzelnen scheinbar nicht aufzuhalten ist und doch durch genau ihre Entscheidungen am Laufen gehalten wird.
Beeindruckend geschildert wird vor allem die Überzeugung der kolonialen Akteure, aus vollem Recht überall in der Welt fragwürdige Heilslehren zu verbreiten, Rauschgifte ins Land zu schmuggeln, Handelsposten einzurichten und im Interesse dieser Zwecke alle lokalen Hindernisse niederzuwalzen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass der Widerstand gegen die fremden Herren ein berechtigter sein könnte.
Am Ende des Buches wird die Brücke geschlagen zu heutigen christlichen Bewegungen, die als »üble Kulte« von der chinesischen Regierung bekämpft werden und als in der Tradition der Taiping-Rebellen stehend verstanden werden können. Nicht benannt wird von Thome die Außenpolitik Chinas, die natürlich ähnlich von der Kolonialerfahrung geprägt ist.
Der Schwerpunkt liegt hier eher auf Historie als auf Literatur – gleichwohl ein sehr lesenswertes Buch.
Kenntnis- und lehrreicher Roman über die Opiumkriege (Erster, Zweiter): Philipp Neukamp zieht nach der 1848 gescheiterten Revolution in Deutschland als (wenig überzeugter) Missionar nach China und begegnet dort neben vielen anderen missionarisch Tätigen unter anderem Vertretern der sich als christlich verstehenden Taiping-Rebellen, die in Nanking eine Gegenhauptstadt installierten. Andere wichtige Figuren, aus deren Sicht wir das Geschehen erzählt bekommen, sind Lord Elgin, oberster Vertreter der englischen Krone, und Zeng Guofan, der Oberbefehlshaber der Hunan-Armee. Geschildert wird sowohl der innerchinesische Konflikt zwischen den Rebellen und der Regierung in Peking als auch der imperialistische Krieg einer Koalition europäischer Mächte (England steht im Fokus, Frankreich und Russland werden als weitere Parteien genannt). Letztere schließen ihre Friedensverträge (die eher Kapitulationserklärungen sind) ausschließlich mit der offiziellen Regierung ab.
Kein Handelnder (und es sind mit unbedeutenden Ausnahmen ausschließlich Männer) handelt frei von Selbstzweifeln – diese verhindern aber weder die Kriegsführung an sich noch das massenhafte Massakrieren von Zivilisten (ganze Stadtbevölkerungen werden enthauptet). All dies wird als Arbeit einer Maschinerie dargestellt, die durch die Einzelnen scheinbar nicht aufzuhalten ist und doch durch genau ihre Entscheidungen am Laufen gehalten wird.
Beeindruckend geschildert wird vor allem die Überzeugung der kolonialen Akteure, aus vollem Recht überall in der Welt fragwürdige Heilslehren zu verbreiten, Rauschgifte ins Land zu schmuggeln, Handelsposten einzurichten und im Interesse dieser Zwecke alle lokalen Hindernisse niederzuwalzen, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, dass der Widerstand gegen die fremden Herren ein berechtigter sein könnte.
Am Ende des Buches wird die Brücke geschlagen zu heutigen christlichen Bewegungen, die als »üble Kulte« von der chinesischen Regierung bekämpft werden und als in der Tradition der Taiping-Rebellen stehend verstanden werden können. Nicht benannt wird von Thome die Außenpolitik Chinas, die natürlich ähnlich von der Kolonialerfahrung geprägt ist.
Der Schwerpunkt liegt hier eher auf Historie als auf Literatur – gleichwohl ein sehr lesenswertes Buch.
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