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Gelesen. Niemi.

Mikael Niemi: Wie man einen Bären kocht. Übertragen von Christel Hildebrandt. München: btb, 2020.

Der Verlag möchte das Buch offenbar eher als humoristisches (und nicht als ernst zu nehmende Literatur) verkaufen und gestaltete den Schutzumschlag entsprechend in freundlich auffälliger Typografie – die Erwartungen der Buchkäufer*innen werden allerdings allenfalls dann erfüllt, wenn es ein die Zähne zusammenbeißender grimmiger Humor sein darf.

Dieser begleitet den Mitte des 19. Jahrhunderts in Nordschweden spielenden Roman um Jussi, der sein Elternhaus nicht mehr aushält und daher flüchtet, und den Propst und Privatgelehrten Laestadius, der den samischen Jungen aufnimmt, fast durchgehend. Zwei Mädchen werden ermordet, der vermeintliche Täter – ein Bär – vom verantwortlichen dummdreist machtbewussten korrupten Ermittler rasch dingfest gemacht. Tatsächlich ist es natürlich anders, und Jussi und Laestadius – Adson von Melk und William von Baskerville bzw. Watson und Holmes – wissen es, ohne ihre Sicht auf die Dinge durchsetzen zu können. Vielmehr steht Jussi plötzlich im Fokus der Ermittlungen, denn ein samischer Junge gibt im Zweifelsfall einen hervorragenden Verdächtigen ab …

Niemi zeigt in der Kriminalhandlung aber mehr als nur diese, nämlich in den Ermittlungen Laestadius’ den Kampf aufklärerischen Denkens gegen die Beharrlichkeit des schon immer so Gewesenen, den Einbruch der Moderne in provinzielle dörfliche Gemeinschaften. Die Frage des richtigen Glaubens spielt eine wichtige Rolle, wie auch das Lesen und Schreiben, das Jussi von Laestadius lernt. Beides steht aus der Sicht einiger Gläubiger durchaus im Widerspruch: »›Man wird verrückt davon‹, erklärte sie schließlich. ›Satans Schamanenkind. Verrückt. Wenn man liest, wird man verrückt.‹« (Ebd., 213)

Mit all dem überrascht das Buch zumindest mich sehr positiv. – Leseempfehlung.

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