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Rechtschreibung.

Laut Erlasslage habe ich als Lehrer inzwischen viele Regelungen der alten Rechtschreibung als falsch anzustreichen. Das ist – mit Verlaub – grober Unfug.

Die alte Rechtschreibung begegnet Schülerinnen und Schülern (im Folgenden: S) nach wie vor täglich, sie ist nicht per Federstrich tilgbar. Noch heute werden in vielen (ich bin versucht zu sagen: in allen) Schulen des Landes an S Kopien und Bücher in alter Rechtschreibung ausgegeben, und da viele noch lebende Autoren, die Rechteinhaber schon verstorbener und auch ganze Verlage sich gegen eine Reform ihrer Texte wehren, wird dies mindestens auch die nächsten siebzig Jahre noch so sein.

Ich war kein Gegner der neuen Rechtschreibung, denn es gibt Regelungen, die vernünftig sind und von den S gut angenommen werden, weil sie Sachverhalte vereinheitlichen – die ss/ß-Regelung ist ein Beispiel hierfür: dass nach kurzem Vokal kein ß, sondern ein ss zu stehen hat. Ich bin überzeugt davon, dass sich Regelungen dieser Art nach einiger Zeit durchsetzen werden – auch ohne dass die alten Schreibungen zwangsläufig mit einem Fehlerzeichen versehen werden müssen.

(Wer das Ganze als viel Getöse um nichts ansieht, übersieht dabei, dass es für die S durchaus von Belang ist: im Fach Deutsch spielt in der Sekundarstufe I und II die Leistung im Elementarbereich eine große Rolle, sie ist gerade bei schwächeren S mitentscheidend über Bestehen oder nicht Bestehen.)

Es besteht kein Grund, die alten Schreibungen nicht mehr zuzulassen. Ziel muss sein (und dies ist auch alles, was erreicht werden kann), Rechtschreibung wieder stärker deskriptiv (wie der Duden in früheren Zeiten) und weniger normativ zu verstehen. In der rechtschreibpolitischen Lage, in der wir uns befinden, ist eine Durchsetzung per Anordnung wie zu Kaisers Zeiten nun einmal nicht mehr möglich.

Ich möchte wache S haben. S, die auch in anderen Büchern als nur Schulbüchern lesen. Und das, was sie dort lesen, darf nicht in der Schule als falsch angestrichen werden.

Theodor Ickler zum Problem im aktuellen Börsenblatt.

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Kommentare

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Paperback Fighter am :

*Der nur scheinbar so belanglose Streit um die Rechtschreibung war und ist ein Machtkampf; angefacht von Brandstiftern, die (ob bewußt oder unbewußt) austesten wollten und wollen, wie weit sie mit ihrem Gezündel gehen können, ohne daß sich Widerstand regt. Das behaupte ich, weil ich als Buchhändlerin miterlebt habe und als Gelegenheitslektorin miterlebe, daß dieser Unsinn von allen sich weltoffen dünkenden Kreisen mit Vehemenz gefördert wird. Wer die Sprache eines Volkes zerstört, der zerstört seine Identität, seine Kultur, seine Literatur und damit sein Selbstbewußtsein und sein kritisches Denken. Dies ist das Ziel der neoliberalen One-World-Globalisierer, denen daran liegt, daß wir zu Robotern werden, die je nach Bedarf programmierbar sind. Wer's nicht glaubt, der studiere aufmerksam die Seite www.trendbuero.de und abonniere den Newsletter.

Lisa Rosa am :

*Deine Haltung zur Vorschrift "Fehleranstreichen für alte Rechtschreibung" unterschreibe ich sofort. Was spricht denn dagegen, daß mehrere Lösungen richtig sein können? Das zu lernen, dass es meistens nicht richtig/falsch in der Realität gibt, fällt in Deutschland so schwer. Aber das ist für die Zukunft eine der Schlüsselkompetenzen! In anderen Sprachen wird viel lockerer mit mehreren Rechtschreibvarianten umgegangen. Als hätten wir keine anderen Probleme, Herrgottsack!

Anselm v. Cannes am :

*Was sind das für Leute in der sog. Kultusministerkonferenz, die da glauben, per staatlicher Verordnung die Hoheit über die Sprache zu gewinnen.

Sind sich diese Leute sicher, dass sie das dürfen? Wer fragt die Schriftsteller, Journalisten, Philosophen, Wissenschaftler und Lehrer, deren täglich Brot die Sprache ist?

Hier muss die Kultur Ihr ureigenstes Terrain gegenüber dem Staat verteidigen. Als nächstes will eine Kultusministerkonferenz, bestehend aus Emporkömmlingen aus Partei und Politik, womöglich die Musiknotation reformieren?

Die Menschen, deren Gebiet die Sprache ist, müssen hier deutlich reagieren - und die Reform schlichtweg verlachen.
Was an Schulen gelehrt wird muss wohl festgelegt werden. Hier sind sicher viele Kenner bereit, Ihr Wissen und Können einzubringen.

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