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Gelesen. Zhou.

[Zhou Xingsi:] Der 1000[-]Zeichen[-]Klassiker. Übertragen von Eva Lüdi Kong. Ditzingen: Reclam, 2018.

Reclam hat sich in den letzten Jahren ja schon durch verschiedene (Neu-) Übersetzungen chinesischer Klassiker hervorgetan, und dieses ist ein von der Konzeption her besonderes Projekt:

Kaiser Wu beauftragte um 500 v. u. Z. Zhou Xingsi, die in Stein gemeißelte Vorlage von genau 1000 grundlegenden Schriftzeichen, die gemeinhin zur Übung der Pinselschrift verwendet wurden, in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Dies gelang Zhou sogar in Reimen, und in dieser Form – 250 Strophen à 4 Verse (wobei jeder Vers aus einem Schriftzeichen besteht) – ist der Text über Jahrtausende überliefert worden, diente fast ebenso lang als Grundschulfibel, sodass unzählige Generationen von Schüler*innen sich beim Üben der Schriftzeichen den Inhalt einschrieben und aufgrund der gereimten Form vermutlich auch lebenslang behielten.

Das für uns Nichtchinesen Faszinierende ist dabei, dass tatsächlich jedes einzelne Zeichen einen weiten Sinnhorizont evoziert, aber im Kontext vergleichsweise eindeutig verstanden werden kann, sodass insgesamt historisches und naturwissenschaftliches Wissen wie auch gesellschaftliche Vorstellungen und Normen tradiert wurden – wer beispielsweise Konfuzius’ Gespräche gelesen hat, wird viele Gedanken wiedererkennen.

Foto einer Doppelseite des besprochenen Buches.In der vorliegenden Übertragung wird ein sinniges Layout verwendet, um einerseits das Original zu präsentieren, andererseits den des Chinesischen Unkundigen eine annotierte Übersetzung zeigen zu können: auf der jeweils rechten Buchseite finden sich (neben der Versnummerierung als Marginalie ganz rechts) vier Spalten. Die erste enthält die im Kontext sinnvollste Ein-Wort-Übersetzung des in der nächsten Spalte folgenden chinesischen Schriftzeichens, in der dritten folgt eine phonetische Umschrift, die den Reim des Originals erahnen lässt, in der vierten schließlich die Übertragung in deutsche Verse. Ergänzt wird diese Textpräsentation durch Anmerkungen auf der linken Buchseite; diese wiederum sind illustriert mit Bildern aus Ausgaben des Klassikers, die in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts entstanden sind. (Ein erklärender Abschnitt zur Textgestalt findet sich fast wörtlich wiederholt auf den Seiten 8 und 116; an Absicht mag ich nicht so ganz glauben.)

Insgesamt eine sehr schöne Ausgabe in rotem Seideneinband, natürlich fadengeftet mit Lesebändchen (dessen Abdruck auf dem Foto erkennbar ist).

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