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Gelesen (und lesend). Proust. II.

Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit. 2: Im Schatten junger Mädchenblüte. Übertragen von Bernd-Jürgen Fischer. Stuttgart: Reclam, 2014.

Für den zweiten Band brauchte ich ein wenig länger als für den ersten (bei einem längeren Leseprojekt sind ja immer auch andere Lektüren zu bedenken; zudem ist mir bewusst geworden, dass die Beschleunigung des Lesers nicht auch die des Übersetzers nach sich zieht: für 2015 ist zwar noch Band 4 angekündigt, folgende Bände oder gar der Abschluss der Projektes sind allerdings noch nicht absehbar), aber nun ist er mit seinen über 700 Seiten (plus Anmerkungen) bewältigt.

Im Schatten junger Mädchenblüte enthält zwei Teile: »In der Welt von Madame Swann« und »Ländliche Namen: Das Land«.

Im ersten Teil wird die Emotionalität von Erwartung und Erfüllung ausgebreitet, letztere allzuoft die Enttäuschung beinhaltend: die schwärmerische Begeisterung für die Sängerin Berma, für den Autor Bergotte, letztlich auch für Gilberte, die erste Liebe Marcels, die er sich, kaum genossen, mühsam wieder abgewöhnt, weil sie ihn nicht in dem Maße zu lieben scheint wie er sie. Dass in biographischer Lesart die Frauenfiguren der Liebschaften Marcels – man beachte den androgyn ambivalenten Klang der Namen – wohl eher als Männer vorgestellt werden müssen, ist dabei ganz unerheblich. Im Zentrum stehen wie stets die Gefühle.

Der zweite Teil zeigt Marcel im Seebad Balbec inmitten eines Kreises von mehr oder weniger guten Bekannten und Freunden – Saint-Loup, Bloch – in gelangweilter Zerstreuung. Nach Gesang und Literatur ist nun die Malerei in Person Elstirs Thema für Marcel; hier knüpft er nun auch eine Verbindung zu Albertine, die er zuvor schon in einer Gruppe alberner Backfische wahrgenommen hatte. Fast kommt es zum Kuss! – Eine weitere Freundin (sind sie nicht alle irgendwie ähnlich?): Andrée.

Das Leben der Décadence erfasst Proust dabei in allen Facetten; die andere Sicht auf Welt wird zwar selten thematisiert, bleibt aber nicht unbemerkt, zum Beispiel wenn das Hotel beschrieben wird,

wo die elektrischen Quellen Fluten von Licht durch den großen Esssaal branden ließen, der wie zu einem riesigen, wundersamen Aquarium wurde, vor dessen gläserner Wand sich die arbeitende Bevölkerung von Balbec, die Fischer und auch die Kleinbürgerfamilien, unsichtbar im Dunkel an die Scheiben drückte, um das langsam von den goldenen Strömen gewiegte Luxusleben dieser Leute zu betrachten, das für die Armen ebenso fremdartig war wie exotische Fische oder Mollusken (eine bedeutende soziale Frage, ob die gläserne Wand auf Dauer das Gelage der wundersamen Bestien schützen wird und ob nicht die Schattengestalten, die gierig in der Nacht zuschauen, kommen werden, um sie in ihrem Aquarium einzufangen und aufzuessen). [Ebd., 348]

Habe derweil schon den Weg nach Guermantes eingeschlagen.

Zurück zu Band I – weiter zu Band III.

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