Gelesen. Stanišić.
Saša Stanišić: Vor dem Fest. Berlin: Luchterhand Literaturverlag, 2014.
Ja, das gefällt (nicht nur, weil Maxim Biller zu widersprechen, der Migranten lieber Migrantenliteratur schreiben sehen möchte, weshalb er Stanišićs Erkundung der Uckermark, von der dieser als Nichtdeutscher zu wenig verstehe, als Sünde an der Migrantenseele begreift, Freude bereitet): eine in episodenhaften Kapiteln erzählte Geschichte der Vorbereitung eines Dorffestes (das zuletzt auf kaum zehn Seiten abgehandelt wird), in eigenem einfachen und doch poetischem Duktus gehalten.
Immer wieder Verschränkungen der aktuellen Geschehnisse mit Begebenheiten aus frühneuzeitlichen Dorfchroniken, in denen sich das Leben der Heutigen spiegelt mit seinen verschrobenen Eigentümlichkeiten.
Etwa die Geschichte von Herrn Schramm, »ehemaliger Oberstleutnant der NVA, dann Förster, jetzt Rentner und, weil es nicht reicht, schwarz bei Blankenburg Landmaschinen« (ebd., 268), der mit »seinem« Mammut 6800 frühmorgens etwas nachdrücklicher Zigaretten holen geht, nachdem er sich in der Nacht zuvor fast aus dem Leben gebracht hätte aus Verzweiflung über sein Leben und die Tatsache, dass man für Kippenautomaten heutzutage eine ec-Karte braucht. – Wir erfahren aber auch die im 16. Jahrhundert situierte Geschichte des Lehnsherrn Poppo von Blankenburg, der Müller um Müller aus der Mühle schmiss, weil das Mehl nicht schmeckte, wie es sollte, der es schließlich selbst probierte mit dem Mahlen – aber nicht eher gute Ergebnisse erzielte als er nicht lernte, die Mühle mit Lob und Schmeicheleien, Streicheln und Umgarnen zum erfolgreichen Arbeiten zu verhelfen.
Aberglaube und Pragmatismus im dörflichen Leben, Schauergeschichte und dokumentarisch genauer Blick in der literarischen Gestaltung liegen sehr eng beieinander, wenn Stanišić das dörfliche Leben beschreibt. Und er spricht auch dann vom »Wir«, wenn es um die in den Chroniken niedergelegten Ereignisse geht.
Kein ganz großes, notwendiges Werk, aber eines, das bei aller Unterhaltsamkeit den Leser auch fordert; es liest sich angenehm und bleibt doch schräg genug, um zu gefallen. Dem würde ich – anders als dem – den Preis glatt geben.
Buch bei Amazon angucken.
Ja, das gefällt (nicht nur, weil Maxim Biller zu widersprechen, der Migranten lieber Migrantenliteratur schreiben sehen möchte, weshalb er Stanišićs Erkundung der Uckermark, von der dieser als Nichtdeutscher zu wenig verstehe, als Sünde an der Migrantenseele begreift, Freude bereitet): eine in episodenhaften Kapiteln erzählte Geschichte der Vorbereitung eines Dorffestes (das zuletzt auf kaum zehn Seiten abgehandelt wird), in eigenem einfachen und doch poetischem Duktus gehalten.
Immer wieder Verschränkungen der aktuellen Geschehnisse mit Begebenheiten aus frühneuzeitlichen Dorfchroniken, in denen sich das Leben der Heutigen spiegelt mit seinen verschrobenen Eigentümlichkeiten.
Etwa die Geschichte von Herrn Schramm, »ehemaliger Oberstleutnant der NVA, dann Förster, jetzt Rentner und, weil es nicht reicht, schwarz bei Blankenburg Landmaschinen« (ebd., 268), der mit »seinem« Mammut 6800 frühmorgens etwas nachdrücklicher Zigaretten holen geht, nachdem er sich in der Nacht zuvor fast aus dem Leben gebracht hätte aus Verzweiflung über sein Leben und die Tatsache, dass man für Kippenautomaten heutzutage eine ec-Karte braucht. – Wir erfahren aber auch die im 16. Jahrhundert situierte Geschichte des Lehnsherrn Poppo von Blankenburg, der Müller um Müller aus der Mühle schmiss, weil das Mehl nicht schmeckte, wie es sollte, der es schließlich selbst probierte mit dem Mahlen – aber nicht eher gute Ergebnisse erzielte als er nicht lernte, die Mühle mit Lob und Schmeicheleien, Streicheln und Umgarnen zum erfolgreichen Arbeiten zu verhelfen.
Aberglaube und Pragmatismus im dörflichen Leben, Schauergeschichte und dokumentarisch genauer Blick in der literarischen Gestaltung liegen sehr eng beieinander, wenn Stanišić das dörfliche Leben beschreibt. Und er spricht auch dann vom »Wir«, wenn es um die in den Chroniken niedergelegten Ereignisse geht.
Kein ganz großes, notwendiges Werk, aber eines, das bei aller Unterhaltsamkeit den Leser auch fordert; es liest sich angenehm und bleibt doch schräg genug, um zu gefallen. Dem würde ich – anders als dem – den Preis glatt geben.
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Trackbacks
ats20.de am : Fürstenfelde.
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Erfolgreiche Bücher, erzählt man, seien auch auf piratischen Seiten herunterzuladen. Mir tut das leid (für die Herunterlader), denn es macht natürlich viel mehr Laune, das echte Buch zu lesen. Saša Stanišić reagiert auf die Situation bezüglich seines Roma
Kommentare
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Markus Kolbeck am :
Hanjo Iwanowitsch am :
Tanja am :
Hanjo Iwanowitsch am :