Diktattexte und Rechtschreibung.
Anlässlich der Vorstellung von Diktattexten bei meinem Kollegen schrieb ich:
In Bezug auf das Lernen von zu unterscheidenden, aber ähnlichen Phänomenen (z. B. weise vs. weiße) lässt das Ranschburg-Phänomen die Gegenüberstellung unklug erscheinen. In der Situation einer Klassenarbeit erlaubt die Häufung von Zweifelsfällen zwar das rasche Abprüfen (relativ unaufwendig wird eine Note erzeugt), inwieweit die so erzeugten Ergebnisse allerdings etwas über die alltägliche Rechtschreibkompetenz aussagen, bleibt offen.
(Diktate schreibe ich mit meinen S nicht, da ich nur in der Oberstufe unterrichte. Tatsächlich muss ich mir daher gar keine Gedanken über sinnvolle Diktattexte machen. In Aufsätzen würde ich S, die in Rechtschreibung Schwächen zeigen, gern nur die erste Seite korrigieren – das reicht meist für einen Eindruck, und genug zu berichtigen ist auch.
Häufig bemerke ich aber auch, dass den S auf der/den ersten Seite(n) relativ wenige Fehler unterlaufen, sich die Fehlerfrequenz zum Ende der Arbeit aber erhöht. Ist es richtig, ihnen das anzukreiden (was mit der vollständigen Zählung aller Fehler passiert) oder muss ich nicht eigentlich erkennen, dass eine relativ hohe Rechtschreibkompetenz vorhanden ist, diese aber mit dem Zeitdruck zugunsten des zu vermittelnden Inhalts zurücktritt, zurücktreten muss?)
Passagen wie »wie weise, weiße Skihasen« kennzeichnen Texte dieser Art aber auch als groben Unfug: sie lassen den Text in die Sinnlosigkeit abdriften (inwiefern sollte Skifahrern Weisheit eigen sein? Wieso sind die »Skihasen« (»Skihasen«! Gute Güte!) alle weiß? (Wurden uniforme Skianzüge verteilt? – Etc.)). – Nee, nee, ein Kind, das derart traktiert mit sofortiger Orthographieverweigerung reagiert, darf meiner tief empfundenen Sympathie sicher sein. :-)
In Bezug auf das Lernen von zu unterscheidenden, aber ähnlichen Phänomenen (z. B. weise vs. weiße) lässt das Ranschburg-Phänomen die Gegenüberstellung unklug erscheinen. In der Situation einer Klassenarbeit erlaubt die Häufung von Zweifelsfällen zwar das rasche Abprüfen (relativ unaufwendig wird eine Note erzeugt), inwieweit die so erzeugten Ergebnisse allerdings etwas über die alltägliche Rechtschreibkompetenz aussagen, bleibt offen.
(Diktate schreibe ich mit meinen S nicht, da ich nur in der Oberstufe unterrichte. Tatsächlich muss ich mir daher gar keine Gedanken über sinnvolle Diktattexte machen. In Aufsätzen würde ich S, die in Rechtschreibung Schwächen zeigen, gern nur die erste Seite korrigieren – das reicht meist für einen Eindruck, und genug zu berichtigen ist auch.
Häufig bemerke ich aber auch, dass den S auf der/den ersten Seite(n) relativ wenige Fehler unterlaufen, sich die Fehlerfrequenz zum Ende der Arbeit aber erhöht. Ist es richtig, ihnen das anzukreiden (was mit der vollständigen Zählung aller Fehler passiert) oder muss ich nicht eigentlich erkennen, dass eine relativ hohe Rechtschreibkompetenz vorhanden ist, diese aber mit dem Zeitdruck zugunsten des zu vermittelnden Inhalts zurücktritt, zurücktreten muss?)
Kommentare
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Maik Riecken am :
Dass meine Möglichkeiten, mich Dikaten in der Mittelstufe zu verweigern, recht eingeschränkt sind, dürfte auch klar sein. Bleibt die Frage nach dem inhaltlichen Sinn. Mit den "didaktischen wertvollen Texten" aus den käuflich zu erwerbenden Büchlein mache ich deutlich schlechtere Erfahrungen, was den Ausfall angeht. Was also tun?
Hanjo am :
Und da treffen sich unsere Erfahrungen: wie Du verpflichtet bist, Häufungen an sich seltener Phänomene im Grunde gegen methodische Erkenntnisse abzuprüfen, bin auch ich nicht überzeugt von der Sinnhaftigkeit der Viertelwertung vor dem Hintergrund der im Artikeltext beschriebenen Entstehung.
Maik Riecken am :
Diktate haben aber eine Lobby - sie sind schnell korrigiert und wirken objektiv. Daher wird diese Praxis nicht so schnell verschwinden - wenn man nicht gleichzeitig an anderen Schrauben dreht...
Hanjo am :
Und (aus guten Gründen) auf schnelle Korrektur hin optimierte Klassenarbeiten kenne ich aus anderen Bereichen.
Hokey am :
Ich finde, das ist als Teilaspekt der Bewertung auch richtig so, denn der sprachliche Bereich unterscheidet den sprachlich exakteren Schüler von den sprachlich ungenaueren - und das hat, auch bei formalen Fehlern, im zu lesenden Text durchau qualitative Dimensionen.
Hanjo am :
yanine am :
Ich möchte mich gerne zu Ihrem Kommentar vom 28. Januar 2013 um 7:25 Uhr äußern. In diesem schreiben Sie „ […] einerseits bin ich davon überzeugt, dass Rechtschreibkompetenz sinnvoll (und auch gar nicht so schwierig zu gewinnen) ist, […]“ (Zeile 2f).
Dass Rechtschreibkompetenz sinnvoll ist, steht natürlich außer Frage, aber das diese „gar nicht schwierig zu gewinnen“ ist, habe ich persönlich bisher nicht so wahrgenommen. Ich gehöre zu der Gruppe der Schüler, die in Diktaten grundsätzlich eine Sechs schreiben und deren Aufsatznote immer aufgrund der Rechtschreibung schlechter ausfällt. Aufgrund dieses Umstandes wurde ich in der fünften Klasse eines Legasthenietests unterzogen, dieser fiel allerdings knapp negativ aus, aufgrund eines erhöhten Leseverständnisses. Danach hatte ich gut zwei Jahre Nachhilfe bei einer Deutschlehrerin und Logopädin in Rente, meine Mutter hat mit mir fast täglich ein Diktat geschrieben und meine damalige Deutschlehrerin hat mir einige Übungsblätter gegeben. Trotz dieses doch zeit- und kostenintensiven Programms hat sich meine Rechtschreibkompetenz nicht verbessert. Es geht hierbei nicht nur um die Fehlerquote bei Diktaten oder Aufsätzen, sondern auch um die alltäglichen Texte und Mitschriften, die vor Rechtschreibfehlern teilweise nur so strotzen.
Ohne Ihnen oder Ihrer fachlichen Kompetenz zu nahe treten zu wollen, habe ich es persönlich bisher anders erlebt.
Aber das alles ist natürlich nur meine subjektive Wahrnehmung …
Dieser Test ist fehlerfrei dank der Rechtschreibprüfung von duden.de (http://www.duden.de/rechtschreibpruefung-online).
Hanjo am :
In der Tat ist meine Sicht eine beschränkte insofern, als ich das Problem nicht aus eigener Sicht kenne: es gibt nur wenige Rechtschreibregeln, die ich als Regeln lernen musste – das meiste funktionierte eben einfach so.
Wenn ich mit rechtschreibunsicheren S in der Schule beispielsweise die dass/das-Regel übe, bestätigt sich das, was ich mit dem »und auch gar nicht so schwierig zu gewinnen« meine: die S verstehen (manche sofort, manche später, aber im Grunde schon alle) die Regel, und anhand von übungstypischen Beispielsätzen (z. B. Lückentexte) ist der Lernerfolg auch nachzuweisen.
Allerdings ist dieser Lernerfolg bei einigen S nicht dauerhaft: schon in der Hausaufgabe noch am selben Tag wird die Regel praktisch ignoriert. – Hier stellt sich für mich die Frage, warum dies geschieht: wird die Regel als unnötig empfunden? (Warum aber können S in anderen Fächern viel kompliziertere Sachverhalte und Lösungsalgorithmen problemlos lernen, behalten und dauerhaft anwenden?) Ist die Regel tatsächlich nicht mehr präsent? (Könnten andere Lernstrategien hilfreich sein?) Ist das Denken so auf die Inhalte konzentriert, dass es die Form nicht mehr bewältigt? (Dann allerdings müsste die Übungsarbeit, die Sie investiert haben, auch Früchte getragen haben.) Etc.
Sie merken hoffentlich: fertig bin ich (und ich kann vernuten: auch andere Lehrkräfte mindestens im sprachlichen Bereich) mit diesem Thema nicht.